Zu hohe Stickstoffoxid-Belastung in einer Vielzahl deutscher Städte
Der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid liegt seit 2010 bei 40 µg pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt. Es handelt sich hierbei um einen EU-Grenzwert, und dieser ist für alle Mitgliedsstaaten verbindlich. In Deutschland ist er auch im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) festgehalten. Stickstoffoxide entstehen hauptsächlich als Nebenprodukt in verschiedenen Verbrennungsprozessen. Auch wenn durch andere Verbrennungssysteme zunächst Stickstoffmonoxid entsteht, so wird dies in der Atmosphäre zu Stickstoffdioxid umgewandelt. Der höchste Anteil von Stickstoffoxiden wird jedoch im Straßenverkehr produziert, unter anderem deshalb, weil aus Verbrennungsmotoren unmittelbar Stickstoffdioxid emittiert wird. Der Anteil der im Straßenverkehr produzierten Stickstoffoxide beträgt nach Angaben des Umweltbundesamts 43%. Dabei ist der Stickstoffdioxid-Anteil deutschlandweit insgesamt zu hoch. Bereits 2015 hatte die EU-Kommission diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren (unter anderem) gegen Deutschland eingeleitet. Deutschland solle es versäumt haben, die geltenden Grenzwerte einzuhalten und geeignete Maßnahmen hierzu zu ergreifen. Inzwischen wurde sogar Klage vor dem EuGH erhoben, da die Grenzwerte noch immer nicht eingehalten werden. Dabei ist Deutschland bereits das einzige Land, in dem auch Euro 5 Diesel von dem Fahrverbot betroffen sind.
Stickstoffdioxid ist für den Menschen schädlich. Insbesondere für Asthmatiker und Allergiker ist Stickstoffdioxid gesundheitsschädlich. Auch gesunde Menschen werden hierdurch anfälliger für Atemwegsinfekte.
Hohe Emissionswerte in Berlin
2017 stellte die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz fest, dass auf einer Gesamtlänge von 60 km über 500 Straßenabschnitte die Grenzwerte überschritten werden. Hierbei war die höchste NO2-Belastung an der Leipziger Straße zu messen. Der Berliner Senat stellt weiterhin fest, dass die hohe Stickstoffdioxidbelastung nicht auf die Bereiche der Messstellen beschränkt ist. Die NO2-Belastung ist zu 75% auf den Straßenverkehr zurückzuführen, hiervon stammen wiederum 88% aus Dieselfahrzeugen. Es sind zwar bereits einige Luftreinhaltemaßnahmen eingeführt worden. Der Stickstoffdioxid-Wert hat sich dennoch in den letzten 10 Jahren nicht erheblich verändert.
Klage der Deutschen Umwelthilfe
Die Deutsche Umwelthilfe hat am 2. Juni 2016 vor dem VG Berlin geklagt (Az. 10 K 207.16). Die Klage richtet sich gegen das Land Berlin, gerichtet auf Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Dabei soll die Auffassung zur Notwendigkeit von Fahrverboten des Gerichts bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans zugrunde gelegt werden. Nach der Auffassung der DUH waren keine ausreichenden Maßnahmen zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung geplant. Auch die bisher ergriffenen Maßnahmen seien ungeeignet, mit diesen könnten die Werte nicht einmal bis zum anvisierten Jahr 2020 eingehalten werden. Für die Senkung der NOx-Emissionen sei nach ihrer Ansicht ein Diesel Fahrverbot in Berlin die wirksamste Maßnahme, und müsse in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden.
Verfahren vor dem VG Berlin
Das BVerwG stellte am 27. Februar 2018 durch Urteil fest, dass Diesel Fahrverbote grundsätzlich eine erforderliche kurzfristige Maßnahme zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte darstellen, und auch zur Einhaltung von Grenzwerten rechtlich zulässig sind (Az. 7 C 26/16; Az. 7 C 30/17). Das BVerwG stellte auch klar, dass das Argument, mit einem streckenbezogenen Fahrverbot für ältere Diesel würden die zu befürchtenden Immissionen lediglich an einen anderen Ort verlagert, diesen Verboten nicht entgegen steht. Dies gilt zumindest solange, wie durch die Umlagerung keine erstmalige oder weitere Überschreitung der NO2-Grenzwerte zu befürchten ist.
Das VG Berlin teilt die Auffassung der DUH, dass trotz bereits geltender Luftreinhaltemaßnahmen keine schnellstmögliche Senkung der Stickstoffdioxid-Belastung erreicht wird. Das Gericht entschied daher am 9. Oktober 2018, dass ein Diesel Fahrverbot für die "saubere Luft" Berlins unausweichlich sei. Nach Ansicht des Gerichts hat ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge das größte Minderungspotential bei der kurzfristigen Senkung der Stickstoffdioxidbelastung. Fahrverbote sind auch rechtlich zulässig, so sieht es das BVerwG. Eine Prüfung durch die Stadt Berlin, ob und wie streckenbezogene Fahrverbote hier effektiv sein könnten wird durch das VG sehr nahe gelegt. Prinzipiell soll eine Prüfung für alle Straßen erfolgen, auf denen der Grenzwert überschritten wird. Gegebenenfalls müsste auch ein flächenbezogenes Verbot geprüft werden. An einigen Stellen - insbesondere wenn der Grenzwert nur minimal überschritten wird, soll das Einführen einer Tempo-30-Zone genügen. Es kommt nicht darauf an, dass der Durchschnittswert des Schadstoffausstoßes verteilt über das Stadtgebiet unterhalb der Grenze liegt, sondern dass in der gesamten Stadt - also in jeder Straße - der Grenzwert nicht überschritten werden darf. Die ursprüngliche Umsetzung bis August 2019 sollte nach Auffassung des Gerichts noch zu beschleunigen sein. Ein neuer Plan wurde bis zum 31. März 2019 verabschiedet.
Die Fortschreibung des Luftreinhalteplans oblag dem rot-rot-grünen Berliner Senat. Dieser verabschiedete dann im Juli 2019 einen neuen Luftreinhalteplan. Dieser sieht ein streckenbezogenes Verbot auf acht Straßen für Diesel ab Euro 5 vor. Das Fahrverbot in Berlin sollte am 1. Juli 2019 in Kraft treten, dieser Termin verzögerte sich allerdings, sodass das Verbot erst ab dem 1. November 2019 galt. Darüber hinaus sollen 30 weitere Straßen mit Tempo-30-Schild gekennzeichnet werden, die Parkraumbewirtschaftung im S-Bahn-Ring soll statt 40% nun 75% der Fläche betragen, und die Parkgebühren sollen im Stadtgebiet um 20% erhöht werden. Die DUH geht jedoch davon aus, dass dieser Plan dem Urteil noch nicht genüge tut. Sie hat einen entsprechenden Vollstreckungsantrag gegen das Land Berlin gestellt.
Welche Fahrzeuge und welche Straßen sind vom Diesel Fahrverbot in Berlin betroffen?
Folgende Straßen in den Bezirken Mitte und Neukölln waren zeitweise von dem Diesel Fahrverbot erfasst und waren für Diesel-Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse Euro 5 und darunter tabu:
Alt-Moabit - zwischen Gotzkowskystraße und Beusselstraße (aufgehoben ab September 2022)
Brückenstraße - zwischen Köpenicker Strae und Holzmarktstraße (aufgehoben ab Juni 2021)
Friedrichstraße - zwischen Unter den Linden und Dorotheenstraße (aufgehoben ab Juni 2021)
Herrmannstraße - zwischen Silbersteinstraße und Emser Straße (aufgehoben ab September 2022)
Leipziger Straße - zwischen Charlottenstraße und Leipziger Platz (Ostseite) (aufgehoben ab September 2022)
Reinhardtstraße - zwischen Charitéstraße und Kapelle-Ufer (aufgehoben ab Juni 2021)
Silbersteinstraße - zwischen Herrmannstraße und Karl-Marx-Straße (aufgehoben ab September 2022)
Stromstraße - zwischen Perleberger Straße und Turmstraße (aufgehoben ab Juni 2021)
Die Gesamtlänge der Verbotsstrecken betrug 2,9 km, das sind etwa 0,05% des Berliner Straßennetzes. Weitere Strecken bzw. Zonen waren zudem im Gespräch. Auch in der Leonorenstraße sah das VG Berlin die Einführung eines Diesel Fahrverbots als zwingend erforderlich. In dieser Straße liegt jedoch bisher kein Fahrverbot vor. Eine Ausweitung vom Fahrverbot in Berlin ist entsprechend dem Urteil des VG Berlin dann möglich, wenn nicht nachweisbar ist, dass der Grenzwert nun eingehalten wird.
Das Verbot galt für alle Diesel der Abgasnorm Euro 5 und älter. Ausgenommen sind Anwohner, dort beschäftigte Personen, Handwerker und Patienten dort anliegender Ärzte. Eine weitere Ausnahme liegt vor, wenn eine Hardware Nachrüstung an einem vom Abgasskandal betroffenen Auto durchgeführt wurde. Eine solche ist seit 2019 für eine Vielzahl vom Dieselskandal betroffener Fahrzeuge durch das Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben worden. Nach dieser Umrüstung eines Euro 5 Diesel bleibt die Euro Abgasnorm zwar unverändert. Allerdings erfolgt ein Vermerk über die Umrüstung in den Fahrzeugpapieren. Mit diesem Vermerk kann man dann weiterhin mit seinem Diesel-Auto in eine Fahrverbotszone einfahren. Allerdings ist diese Maßnahme mit 3.000€ eher teurer, und nicht alle Hersteller übernehmen die Kosten und wenn, dann sowie nur teilweise und nur unter sehr eng gesetzten Voraussetzungen.
Bußgelder
Das Bußgeld im Falle der Missachtung des Verbots beträgt in Berlin 25 Euro. Bisher wurden auch Verwarngelder zwischen 20 (Pkw) und 75 Euro (Lkw) verhängt. Wie die Einhaltung des Fahrverbots in Berlin überprüft wird, ist im Einzelnen noch ungewiss. In Hamburg erfolgt eine Prüfung etwa stichprobenartig. Einfacher zu kontrollieren wären Verstöße durch die Einführung einer blauen Plakette. Sie würde genauso funktionieren, wie die grüne Plakette, die es bereits aufgrund von Umweltzonen in zahlreichen deutschen Städten gibt.
Diesel Fahrverbot in Berlin aufgehoben
Aufatmen in Berlin: Das Diesel Fahrverbot konnte zunächst teilweise, schließlich sogar komplett wieder aufgehoben werden. Bereits im Juni 2021 konnte es auf den vier Strecken Brückenstraße, Reinhardtstraße, Friedrichstraße und Stromstraße aufgehoben werden., Im September 2022 folgte dann auch die Aufhebung auf den weiteren vier Abschnitten. Hintergrund ist, dass sich die Luftqualität in der Hauptstraße stark verbessert hat. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid können seit 2020 an allen Messstationen eingehalten werden.
Allerdings gilt auf allen oben genannten Abschnitten weiterhin Tempo 30, um die guten Werte auch weiterhin realisieren zu können.
So können Sie sich gegen das Fahrverbot wehren
Sollte ein Fahrverbot gelten, so muss man sich als betroffener Autofahrer hieran halten. Alternativ müsste man sich wohl einen Diesel mit neuerer Euro Abgasnorm zulegen, wobei auch neuere Euro Normen einen höheren Schadstoffausstoß haben als zulässig, oder ganz von der Verwendung von Diesel-Pkw absehen. Allerdings sehen sich viele Autofahrer bei dem Verkauf vor der Schwierigkeit, dass Diesel insgesamt durch den Abgasskandal und das Fahrverbot erheblich an Wert verloren haben. Es bleiben Ihnen dennoch zwei Möglichkeiten, wie Sie Ihren Diesel zu guten Konditionen abgeben können.
Schadensersatzklage
Sind Sie von den manipulierten Diesel-Motoren des Abgasskandals betroffen, befindet sich in Ihrem Auto also eine unzulässige Abschalteinrichtung, so haben Sie einen Anspruch auf Schadensersatz. Diesen Anspruch können Sie gerichtlich durch eine Klage geltend machen. Sie geben Ihr Auto dann an den Hersteller zurück und erhalten im Gegenzug den Kaufpreis erstattet. Nach neuestem BGH-Urteil müssen Sie sich dabei zwar eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Gegenüber einem Verkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt ergibt sich in aller Regel jedoch trotzdem ein wirtschaftlicher Vorteil.
Autokredit Widerruf
Haben Sie Ihr Fahrzeug finanziert, so besteht eine gute Chance, dass Sie den Kredit noch heute widerrufen können. Dies gilt unabhängig davon wann Sie Ihr Fahrzeug gekauft haben, oder ob es sich überhaupt um einen (betroffenen) Diesel handelt. Voraussetzung ist lediglich, dass der Kreditvertrag fehlerhaft ist (was für etwa 90% aller Verträge gilt) und dass Ihnen der Autoverkäufer die Finanzierung vermittelt hat. Bei einem erfolgreichen Widerruf geben Sie Ihr Fahrzeug an die Bank zurück, und erhalten sowohl Anzahlung als auch gezahlte Raten erstattet.
Sind auch Sie vom Diesel Fahrverbot betroffen, können wir Ihnen helfen! Im Rahmen einer kostenfreien Erstberatung prüfen wir die genaue Betroffenheit Ihres Fahrzeugs. Befindet sich in Ihrem Diesel eine unzulässige Abschalteinrichtung und sind Sie daher direkt vom Abgasskandal betroffen, haben Sie Anspruch auf Schadensersatz. Alternativ prüfen wir auch gern und ebenfalls kostenfrei, ob sich in Ihrem Autokreditvertrag Fehler befinden, die einen heutigen Widerruf noch immer möglich machen.
HAHN Rechtsanwälte ist seit 2001 ausschließlich für Verbraucher tätig und gehört zu den erfolgreichsten Kanzleien im Abgasskandal gegen VW, Audi, Porsche und Mercedes.
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