Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. April 2010 — III ZR 196/09 — ein für viele Beobachter überraschendes Urteil gefällt: Die Kick-Back-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats für Banken könne nicht in gleicher Weise für die sogenannten freien Anlageberater gelten. Das Verfahren ist in erster und zweiter Instanz von Hahn Rechtsanwälte Partnerschaft (hrp) — Rechtsanwalt Gregor Decken - und in der dritten Instanz beim Bundesgerichtshof von Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Gross geführt worden.
Das Oberlandesgericht Celle hatte in der zweiten Instanz die Auffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats zu den Kick-Backs nicht auf die Vermittlung von Fondsanteilen durch allgemeine Anlageberater, deren Beratung für den jeweiligen Kunden nicht vergütet werde, zu übertragen sei. Nochmals zur Erinnerung: Der XI. Zivilsenat hat in einer Reihe von Urteilen entschieden, dass der Anlageberater Rückvergütungen, die er von der Fondsgesellschaft hinter dem Rücken des Kunden für die Vermittlung der Beteiligung erhält, offenzulegen hat. Dies gebiete der zivilrechtlich allgemein anerkannte Grundsatz, wonach Interessenkonflikte zu vermeiden seien. Erhält die Bank für die Vermittlung einer bestimmten Anlage höhere Provisionen als für andere, ergibt sich ein hohes Eigenprovisionsinteresse, was dazu führen kann, dass eine Anlage nur aus diesem Grunde empfohlen wird und nicht nach den Grundsätzen einer anlegergerechten Beratung. Entschieden wurde dies bislang nur für Fälle, in denen eine Bank beraten hat.
Das OLG Celle nahm nun in zweiter Instanz an, dass diese Grundsätze nicht auch für freie Anlageberater gelten könnten. Anders als bei einem Bankkunden müsse der Kunde eines freien Anlageberaters davon ausgehen, dass der Anlageberater für die Vermittlung von Geschäften eine Vermittlungsprovision erhalte und daher auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Vermittlung habe. Demgegenüber könne der Bankkunde nicht zwingend damit rechnen, dass die Bank Rückvergütungen für ihre Vermittlungstätigkeit erhalte.
Diese Auffassung hat der III. Zivilsenat des BGH nunmehr mit Urteil vom 15. April 2010 bestätigt. Anders als bei einem freien Anlageberater sei das Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und seiner Bank regelmäßig auf Dauer begründet, weil etwa mit dem Kunden ein Depotvertrag oder ein weiteres Konto zur Abwicklung der Wertpapiergeschäfte eingerichtet werde. Die Vertragsbeziehungen des Kunden zu seiner Bank sei darüber hinaus regelmäßig davon geprägt, dass die Bank für die jeweiligen Dienstleistungen vom Kunden Entgelte oder Provisionen erhalte, etwa Depotgebühren, Kontoführungsgebühren sowie An- und Verkaufsprovisionen für den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren. Von daher müsse der Kunde nicht damit rechnen, dass die Bank bei der Anlageberatung eigene Interessen verfolge und dafür eine gesonderte Provision erhalte.
Anders sei dies bei einem freien Anlageberater. Hier liege es für den Kunden auf der Hand, dass der Anlageberater von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhalte. Der freie Anlageberater müsse daher, sofern nicht das Wertpapierhandelsgesetz einschlägig sei (§ 31 d WpHG), nicht ungefragt den Anleger über die bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufklären. Da dem Kunden das generelle Provisionsinteresse bekannt sei, sei es ihm möglich, die Höhe der Provisionen von seinem Anlageberater zu erfragen.
Der von hrp vertretene Kläger hat im Ergebnis dennoch einen Erfolg erzielt. Das klageabweisende Urteil des OLG Celle ist durch den Bundesgerichtshof aufgehoben und an das OLG Celle zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden.
Soweit das OLG Celle die weiteren geltend gemachten Pflichtverletzungen, u.a. mangelnde Aufklärung über das bei der Anlage bestehende Totalverlustrisiko, für verjährt hielt, konnte das Urteil mit dieser Begründung keinen Bestand haben. Die Beklagte hatte in der Revision die Einrede der Verjährung fallen lassen und einen zukünftigen Verzicht erklärt. Daher wird das Oberlandesgericht Celle nun über die einzelnen Pflichtverletzungen, die es zunächst als verjährt angesehen hatte, entscheiden müssen.