Am Europäischen Gerichtshof bahnt sich im Abgasskandal die nächste Sensation zu Gunsten der geschädigten Verbraucher an. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Athanasios Rantos hat in einem Verfahren gegen die Mercedes-Benz Group AG - vormals Daimler AG – am 02. Juni 2022 aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Landgerichts Ravensburg in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-100/21 hervorgehoben, dass Verbraucher Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn in ihrem Fahrzeug ein sog. Thermofenster verbaut ist. Bei einem Thermofenster wird die Abgasrückführung in Abhängigkeit der Außentemperatur bereits ab einer Temperatur von über 0 Grad Celsius verringert. Nach dem Europäischen Gerichtshof handelt es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung.
„Da der EuGH in der Regel den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt, erhöhen sich dann die Chancen vor Gericht erheblich, Ansprüche gegenüber Fahrzeugherstellern erfolgreich durchsetzen zu können“, sagt der Fachanwalt Peter Hahn von HAHN Rechtsanwälte. „Die temperaturgesteuerte Abgasrückführung kommt bei Fahrzeugen von Mercedes-Benz, Volkswagen, BMW, Opel und Fiat zur Anwendung“, so Hahn weiter. Der Generalanwalt des EuGH weist in seinem Schlussanträgen auch daraufhin, dass der EuGH bereits entschieden hat, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Vorgaben der EG-Verordnung 715/2007 auch dann vorliegt, wenn sie nur punktuell auch unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs zur Anwendung kommt.
Weiterhin stellt der Generalanwalt des EuGH in seinen Schlussanträgen fest, dass sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung in Art. 3 Nr. 36 der EU-Richtlinie 2007/46 zumindest „mittelbar“ eine Anspruchsgrundlage des Fahrzeuginhabers ergebe. Den sog. Drittschutz aus § 823 Abs. 2 BGB hatte der Bundesgerichtshof bislang so nicht gesehen und die Haftung der Fahrzeughersteller aufgrund der Verwendung eines Thermofensters wegen angeblich fehlenden Vorsatzes verneint. Das Landgericht Ravensburg wollte im Verfahren gegen Mercedes-Benz nun klären, ob eine Voraussetzung für eine Haftung auch bei Fahrlässigkeit besteht. Mit der auf die Schlussanträge mit Spannung zu erwartenden Entscheidung des EuGH könnte dies zukünftig nun bejaht werden, weil dann eine Haftung der Herstellerin auch bei Fahrlässigkeit gegeben wäre. Der BGH müsste dann seine Rechtsprechung zugunsten der Fahrzeughalter ändern.