Die Sensation beim BGH ist nunmehr eingetreten: Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG), §§ 44 ff. Börsengesetz (BörsG) in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung die sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht ausschließt (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - II ZR 22/22 -). Damit begibt sich der II. Zivilsenat bewusst in Konfrontation zur jüngst vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ergangenen gegenteiligen Rechtsprechung.
In der Vergangenheit haben sowohl der II. wie auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung die sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht kommt (Anspruchskonkurrenz).
Bei der Prospekthaftung im weiteren Sinne handelt es sich um eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektes als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB.
In der Praxis war vor allem die Prospekthaftung im weiteren Sinne wegen der aus Anlegersicht günstigeren Verjährungsregelung relevant. Denn anders als bei der Prospekthaftung im engeren Sinne, die an relativ kurze Verjährungsfristen knüpft, besteht bei der Prospekthaftung im weiteren Sinne die allgemeine bis zu zehnjährige Verjährung. Im Gegensatz zu dieser ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des II. und III. Zivilsenats hat jüngst der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden. Nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats sollte nunmehr ein Ausschluss der Prospekthaftung im weiteren Sinne durch die Spezialregelung gegeben sein, mit fatalen Konsequenzen: Ansprüche der Anleger gegen die Gründungs- und Treuhandkommanditisten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne wären damit regelmäßig verjährt, bevor die Prospektfehler überhaupt aufgefallen waren.
„Für viele Anleger an geschlossenen Fonds bedeutet der aktuelle Beschluss des II. Zivilsenats ein Etappensieg verbunden mit der Hoffnung, ihre berechtigten Prospekthaftungsansprüche gegen die Gründungs- und Treuhandkommanditisten noch durchsetzen zu können“, sagt Fachanwältin Dr. Petra Brockmann von HAHN Rechtsanwälte. „Aufgrund der divergierenden Rechtsauffassungen sollte nun endlich der Große Senat beim Bundesgerichtshof angerufen werden“, fordert Dr. Brockmann weiter. HAHN Rechtsanwälte ist unter anderem auf die Durchsetzung von Prospekthaftungsansprüchen spezialisiert und vertritt zahlreiche Musterkläger in Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem KapMuG (zum Beispiel zum ML Schiffsinvest 2, Lloyd Flottenfonds X, Lloyd Flottenfonds XI und MPC Sachwert Rendite-Fonds Indien).