Unzulässige Abschalteinrichtung
Eine unzulässige Abschalteinrichtung ist eine Software in Fahrzeugen, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems auf unzulässige Weise beeinflusst. Die Funktionen lösten den Diesel Abgasskandal rund um VW und weitere Hersteller aus.
Erstellt am - letztes Update:Was ist eine unzulässige Abschalteinrichtung?
Mit Hilfe einer unzulässigen Abschalteinrichtung können Hersteller dafür sorgen, dass ihre Fahrzeuge zwar auf dem Prüfstand sauber sind und die gesetzlichen Grenzwerte zum Beispiel für Stickoxidemissionen einhalten, auf der Straße aber ein Vielfaches der erlaubten Menge ausstoßen. Diese Art von Abschalteinrichtungen sind verboten.
Warum gelten solche Einrichtungen als unzulässig? Die gesetzliche Grundlage
Grundlage für die Definition und rechtliche Einordnung von Abschalteinrichtungen ist die EU Verordnung Nr. 715/2007. Demnach handelt es sich bei einer Abschalteinrichtung um
„ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“.
Abschalteinrichtungen sind grundsätzlich unzulässig, es sei denn, die Einrichtung ist notwendig,
"um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten."
Der EuGH hat bereits deutlich gemacht, dass diese Ausnahmeregelungen sehr eng auszulegen sind. So sind laut EuGH Abschalteinrichtungen beispielsweise auch dann als unzulässig einzustufen, wenn sie den überwiegenden Teil des Jahres aktiv sind - selbst wenn dies laut Hersteller aus Gründen des Motorschutzes notwendig sein sollte.
Welche Arten von unzulässigen Abschalteinrichtungen gibt es?
Der Dieselskandal wurde im September 2015 öffentlich, nachdem bekannt wurde, dass VW über Jahre eine illegale Umschaltlogik in seinen Fahrzeugen verbaut hatte. Entdeckt hatten dies nicht etwa deutsche Behörden wie das KBA, sondern amerikanische. Mit Hilfe der Umschaltlogik beziehungsweise einer Zykluserkennung konnten die Diesel von VW erkennen, wenn sie sich auf dem Prüfstand befanden und schalteten dann in einem sauberen Modus mit aktiver Abgasreinigung. Im tatsächlichen Betrieb auf der Straße dagegen wurde die Abgasreinigung reduziert und der Stickoxidausstoß stieg erheblich an. Auch andere Modelle aus dem Volkswagen Konzern, darunter von Audi, Seat und Skoda, nutzten diese Umschaltlogik im Motor EA189.
Der Nachfolgemotor EA288 nutzte ebenfalls unzulässige Abschalteinrichtungen. Auch Audi selbst hatte Fahrzeuge manipuliert. Da die entsprechenden Dieselmotoren auch an Porsche und VW (Touareg) geliefert wurden, fanden sich auch in diesen unzulässige Abschalteinrichtungen.
Von Mercedes wurde bekannt, dass der Hersteller ebenfalls gleich mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen in seinen Fahrzeugen genutzt hatte, darunter die AdBlue-Dosierstrategie oder die Kühlmittel-Solltemperaturregelung.
Branchenweit genutzt wurde das Thermofenster, das vom Europäischen Gerichtshof ebenfalls als nicht zulässig eingestuft wurde. Dabei arbeitet die Abgasreinigung nur in einem definierten Temperaturbereich ausreichend. Da dieser Bereich aber sehr eng gehalten ist und die Abgasreinigung deshalb zu einem großen Teil des Jahres nicht aktiv ist, handelt es sich ebenfalls um eine unzulässige Abschalteinrichtung - auch wenn diese laut der Hersteller angeblich aus Gründen des Motorschutzes notwendig sein soll.
Warum haben die Hersteller die unzulässigen Abschalteinrichtungen eingesetzt?
Die Hersteller verbauten unzulässige Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen, um Geld zu sparen. Eine ausreichende Abgasreinigung auch im realen Betrieb wäre technisch möglich gewesen, jedoch hätte dann beispielsweise ein größerer AdBlue-Tank eingebaut werden müssen oder die Harnstofflösung hätte öfter nachgefüllt werden müssen.
Die Autobauer bevorzugten die Manipulation, um saubere, aber nicht unnötig teure Autos anbieten zu können.
Welche Folgen haben die illegalen Abschalteinrichtungen?
Nachdem der Dieselskandal bekannt wurde, ordnete das KBA nach und nach Rückrufe für die betroffenen Fahrzeuge an. Millionen Diesel waren im Abgasskandal betroffen. VW, Audi, Seat, Skoda, Porsche, Mercedes, Opel, BMW, Fiat und weitere Hersteller hatten unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet und mussten diese nun im Zuge der Rückrufe aus ihren Fahrzeugen entfernen. Dies geschah mit Hilfe von Software-Updates. Diese sollten dafür Sorgen, dass die Abgasrückführungsraten erhöht wurden und die Abgasreinigung dauerhaft aktiv war. Dies hatte jedoch ungewollte Folgen, denn die Hardware war teilweise nicht darauf ausgelegt. So kam es in Folge der Software-Updates zu Berichten über eine nachlassende Leistung, ein Ruckeln des Motors, einen erhöhten Sprit- und AdBlue-Verbrauch, verstopfte Partikelfilter und gar Motorschäden.
Neben strafrechtlichen Konsequenzen für Verantwortliche (so mussten sich unter anderem die ehemaligen Audi und Volkswagen Chefs Rupert Stadler und Martin Winterkorn vor Gericht verantworten), hatte der Dieselskandal vor allem zivilrechtliche Folgen. Käufer von betroffenen Fahrzeugen konnten Schadensersatz geltend machen. Zunächst war es schwer, diese Ansprüche vor Gericht durchzusetzen, doch im Mai 2020 urteilte der Bundesgerichtshof, dass VW seine Kunden durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtungen vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hatte. Erfolgreiche Kläger konnten ihr Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises und unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung zurückgeben.
Im Juni 2023 erleichterte der BGH schließlich die Durchsetzung von Ansprüchen, indem er deutlich machte, dass bereits durch den fahrlässigen Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung ein Anspruch auf eine Entschädigung gegeben sein kann. Dabei behalten die Käufer das Fahrzeug und können bis zu 15% des Kaufpreises erstattet bekommen. Der BGH hatte lange die Sicht der Hersteller vertreten, sah sich aber nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zum Umdenken gezwungen. Ursächlich für viele der Urteile ist das Thermofenster, das von nahezu allen Autobauern, allerdings in unterschiedlicher Ausgestaltung, genutzt wurde.