Verwaltungsgericht Schleswig: Update unzulässig
Fachleuten war schon lange klar, dass Software-Updates nicht zur Problemlösung geeignet sind, da diese wiederum illegale Abschalteinrichtungen wie ein unzulässiges Thermofenster enthalten.
Diese Einschätzung bestätigt nun auch nach und nach das Verwaltungsgericht Schleswig, das Klagen der Deutschen Umwelthilfe stattgibt und urteilt, dass die Software-Updates nie hätten freigegeben werden dürfen.
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Verwaltungsgericht Schleswig bestätigt: Software-Update illegal!
Nachdem die illegalen Diesel-Abgasmanipulationen im Jahre 2015 öffentlich wurden, haben die Automobilhersteller als kostengünstige Problemlösung sogenannte Software-Updates entwickelt. Die Hersteller, unter anderem auch die Volkswagen AG, gaben vor, die hohen Stickoxidemissionen durch ein bloßes Update der Motorsteuerungssoftware reduzieren zu können, sodass die zulässigen Grenzwerte für Stickoxid nunmehr eingehalten würden. Mittels des Updates sollten zugleich auch die Abschalteinrichtungen, die europarechtlich grundsätzlich unzulässig sind, entfernt werden. Dadurch sollte die Gesetzeskonformität wiederhergestellt werden. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte bezüglich der jeweiligen Updates nach entsprechender Prüfung einen Freigabebescheid erlassen, unter anderem auch für den VW Golf mit dem Motor EA 189, Euro 5.
Hiergegen hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geklagt und nunmehr Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 20.02.2023 (Aktenzeichen 3 A 113/18) entschieden, dass auch das Software-Update illegal ist, da es wiederum eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung enthält (als Thermofenster bekannt).
Mit dem Update sind neue Abschalteinrichtungen, unter anderem auch ein sogenanntes Thermofenster, das bei Außentemperaturen unter 15 °C die Abgasreinigung verringert, appliziert worden: Durch das Software-Update wurde das AGR-Ventil (Abgasrückführungs-Ventil) so eingestellt, dass die Rückführungsrate bei einer Umgebungstemperatur unter - 9 °C bei 0 %, zwischen - 9 und 11 °C bei 85 % und schließlich, über 11 °C ansteigend, ab einer Umgebungstemperatur von 15 °C bei 100 % lag. Somit ist die Reinigung der Abgase durch dieses Rückführungssystem nur dann voll wirksam, wenn die Umgebungstemperatur bei 15 °C liegt.
Im Rahmen dieses Verfahrens hatte das Verwaltungsgericht Schleswig dem EuGH unter anderem auch die Vorfrage vorgelegt, ob es sich bei dem vorgenannten Thermofenster um eine unzulässige Abschaltungseinrichtung im Sinne der (EG) Verordnung 715/2007 handelt und hier ein Ausnahmetatbestand gegeben sein könnte. Eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen kann dann vorliegen, wenn diese erforderlich ist, um Unfall- oder Beschädigungsrisiken für den Motor und eine konkrete Gefahr im Fahrzeugbetrieb zu vermeiden. Dies hatte der EuGH für das streitgegenständliche Thermofenster verneint (EuGH, Urteil vom 08.11.2022 – Rechtssache C-873/19 -, Rz. 90 ff.).
Software-Update für VW, Audi und Seat Diesel illegal
Im Januar 2024 bestätigte das VG Schleswig die Entscheidung zum VW Golf für weitere über 20 Diesel-Modelle von VW, Seat und Audi (Urteil vom 17.01.2024, 3 A 332/20). Auch bei diesen hätten die Software-Updates nicht freigegeben werden dürfen, da sie mit dem Thermofenster erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten.
- VW Beetle
- VW Caddy
- VW Eos
- VW Golf
- VW Golf Cabrio
- VW Golf Variant
- VW Jetta
- VW Passat
- VW Passat CC
- VW Passat Variant
- VW Polo
- VW Scirocco
- VW Tiguan
- VW Touran
- Seat Altea
- Seat Ibiza
- Seat Leon
- Audi A1
- Audi A3
- Audi A4
- Audi A5
- Audi A6
- Audi Q3
September 2025: OVG Schleswig-Holstein bestätigt Urteil
Mit Urteil vom 25. September 2025 bestätigte das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein das Golf-Urteil der ersten Instanz (Aktenzeichen 4 LB 36/23). Nach zwei Tagen der mündlichen Verhandlungen urteilten auch die Richter am OVG Schleswig-Holstein, dass das Software-Update, dass das KBA für den VW Golf freigegeben hatte, zwei unzulässige Abschalteinrichtungen enthält, darunter das Thermofenster. Eine Abschaltung der Abgasrückführung bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius oder bei niedrigem Umgebungsdruck bei über 1.000 Metern Höhe stelle nach europäischem Recht grundsätzlich eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, so das Gericht.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließ das Gericht nicht zu, wobei KBA und VW hiergegen Beschwerde einlegen können.
Das Gericht wies das KBA an, VW aufzufordern, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, damit die betroffenen Fahrzeuge wieder mit geltendem Recht übereinstimmen würden.
Laut der Deutschem Umwelthilfe kommen hierfür nur Hardware-Nachrüstungen oder Stilllegungen in Frage, auf Kosten der Hersteller.
Das Urteil des OVG bezog sich nur auf den VW Golf, das Berufungsverfahren zu den weiteren VW, Audi und Seat Modellen ist noch anhängig. Ebenso über 100 weitere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig zu anderen Modellen und Herstellern. Laut DUH sollen noch im Winter 2025/2026 Verfahren zu mehreren hunderttausend Mercedes-Fahrzeugen stattfinden.
Die Deutsche Umwelthilfe schätzt, dass sich noch rund 7,8 Millionen Diesel-Pkw mit unzulässigen Abschalteinrichtungen auf deutschen Straßen befinden. Dabei handelt es sich um Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5, beziehungsweise Euro 6a bis Euro 6c. Sie alle müssten nachgerüstet oder stillgelegt werden.
Welche Folgen hat eine Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung?
Das Problem: Die Hersteller und auch das KBA haben die neuen Abgastricks bei den Software-Updates stets damit gerechtfertigt, dass diese notwendig sind, um die Motoren vor Schäden zu schützen. Der Umkehrschluss ist klar: Werden wirklich alle illegalen Abschalteinrichtungen per Software-Update entfernt, gehen die Motoren schnell kaputt. Denn um Kosten zu sparen, wurde die Abgasreinigungs-Hardware der Fahrzeuge nie so gebaut, dass sie für eine gesetzeskonforme Abgasreinigung taugt. Lässt man diese Hardware nunmehr von einer Software steuern, die die Leistungsparameter so festsetzt, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden, wird von der Hardware eine Leistung verlangt, die sie unmöglich auf Dauer erbringen kann. Schon nach den vom KBA rechtswidrig genehmigten Thermofenster-Updates gab es bei vielen Fahrzeugen erhebliche Probleme mit verschiedenen Bauteilen, insbesondere den AGR-Ventilen oder dem AGR-Kühler. Sollten jetzt wirklich alle Abgastricks entfernt werden, werden die Motoren dies nicht lange mitmachen.
Muss ich in die Werkstatt zum Update?
2024 folgten erste umfangreiche Rückrufe aufgrund des Thermofensters für hunderttausende Fahrzeuge von VW und Audi. Dabei könnte es sich um eine direkte Reaktion des Kraftfahrtbundesamtes auf die Urteile des VG Schleswig handeln. Offenbar wird der Druck zu groß, so dass das KBA nun reagiert und Fahrzeuge mit unzulässigen Thermofenstern, auch solche, die dieses aufgrund des ursprünglichen Software-Updates erhalten hatten, zurückruft.
Sollten Sie ein Schreiben von dem Hersteller Ihres Fahrzeugs oder dem KBA erhalten, in dem Sie zum Werkstattbesuch beziehungsweise zum Abgasupdate Ihres Fahrzeugs aufgefordert werden, sollten Sie sich das Schreiben genau durchlesen. Wichtig ist zu erkennen, ob es sich nur um eine freiwillige Maßnahme handelt oder ob durch das KBA ein Update verpflichtend angeordnet wurde. Angebote zum freiwilligen Abgasupdate gibt es mittlerweile zuhauf. Es ist wegen drohender Motorschäden nicht ratsam, diese unkritisch durchführen zu lassen. Mittlerweile werden auch eine Reihe von freiwilligen Rückrufen im Zusammenhang mit Teilen von Abgassystemen durchgeführt, deren Sinn und Zweck unklar ist. Hier liegt nicht selten der Verdacht nahe, dass unter dem Tarnmantel einer anderen Maßnahme ein Abgasupdate vorgenommen wird, das die Haltbarkeit des Fahrzeugs erheblich herabsetzen kann. Wir raten deshalb bei freiwilligen Maßnahmen zu großer Vorsicht. Sie sind auf keinen Fall verpflichtet, solche Maßnahmen an Ihrem Auto vornehmen zu lassen, auch wenn der Vertragshändler vielleicht einen anderen Eindruck erwecken möchte. Sie sollten sich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen und die Maßnahme unbedingt hinterfragen.
Nur wenn auf einen angeordneten Rückruf und eine drohende Betriebsuntersagung hingewiesen wird, muss gehandelt werden. Wird das Update dann nicht durchgeführt, kommt die Mahnung vom KBA verbunden mit der Androhung, den Vorgang der zuständigen Kfz-Zulassungsstelle vorzulegen. Haben die Zulassungsstellen am Anfang oft Gnade vor Recht ergehen lassen, werden mittlerweile Fahrzeuge ohne Update konsequent stillgelegt beziehungsweise eine Betriebsuntersagung verfügt. Wer dem nicht folgt, muss mit einem Besuch der Polizei rechnen.
Wie können Schäden durch die Updates entstehen?
Wenn Stickoxide (NOx) durch das Abgasreinigungssystem eines Fahrzeuges besser gereinigt werden, entsteht automatisch mehr Ruß. Dies ist insbesondere ein Problem bei Fahrzeugen, die nach der Euro-Norm 5 zugelassen sind. Hier wird zur NOx-Reduzierung regelmäßig ein Abgasrückführungssystem (AGR) eingesetzt: Ein Diesel verbrennt sein Kraftstoff-Luft-Gemisch bei hohen Temperaturen. Dies ist effizient, sorgt für einen niedrigen Kraftstoffverbrauch, erzeugt aber auch hohe Mengen NOx. Durch die Abgasrückführung werden die Verbrennungstemperaturen gesenkt. Dies führt dazu, dass weniger NOx entsteht. Das Fahrzeug kann nur so die gesetzlichen Grenzwerte einhalten. Durch die Absenkung der Temperaturen verbrennt der Kraftstoff aber nicht mehr vollständig und es entsteht mehr Ruß. Eine Motoreinstellung mit hohem Rußausstoß führt also zu einer geringen Stickoxidmenge, eine Einstellung mit niedrigem Rußanteil hingegen erhöht die Menge der Stickoxide. Der sich daraus einstellende Zielkonflikt wird als Ruß-NOx-Schere bezeichnet. Wird die Effizienz des AGR-Systems im Rahmen eines Software-Updates, zum Beispiel durch eine höhere AGR-Rate, verbessert, entsteht zu viel Ruß, der verschiedene Bauteile verkokt beziehungsweise versottet. Das bedeutet, dass sich Ruß festsetzt und so mit der Zeit die Mechanik blockiert wird. Schäden wie zum Beispiel ein kaputter AGR-Kühler sind die Folge.