Bei Tier 1-Anleihen handelt es sich um nachrangige Schuldverschreibungen von Banken, die dem Eigenkapital der Kreditinstitute zugerechnet werden und allen anderen Verbindlichkeiten der emittierenden Bank nachgeordnet sind. Wird die Bank zahlungsunfähig, werden zunächst die Ansprüche aller anderen Gläubiger befriedigt, die Inhaber von Tier 1-Anleihen werden als Letzte vor den Aktionären berücksichtigt. Mit der Ausgabe nachrangiger Anleihen können die Banken Eigenkapital - aufgeteilt nach Kernkapital (Tier 1) und Ergänzungskapital (Tier 2) - bilden. Der Begriff „Tier 1“ und „Tier 2“ kommt aus dem Englischen („tier“: Rang, Stufe) und steht dort für Kern- bzw. Ergänzungskapital. Anleger erhalten für Tier 1-Anleihen eine Verzinsung, die in der Regel über dem Zins von beispielsweise Staatsanleihen liegt.
Banken haben diese Tier 1-Anleihen vielfach genutzt, um ihr Eigenkapital aufzustocken und die Rentabilität des Eigenkapitals zu erhöhen.
Keine Kündigungsmöglichkeit durch den Anleger
Damit das Anleihekapital als Eigenkapital qualifiziert werden kann, dürfen derartige Anleihen durch den Anleger selbst nicht kündbar sein. Sie laufen unendlich oder zumeist über einen sehr langen Zeitraum - beispielsweise beim DZ Bank Capital Funding Trust II (WKN A0DCXA) bis zum 22. November 2034. Sie sind grundsätzlich nur einseitig durch die Emittentin kündbar. Die Kündigung liegt jedoch in deren Ermessen. Bislang wurde die erstmalige Kündigungsmöglichkeit schon aus Reputationsgründen häufig wahrgenommen, um diese Eigenkapitalquelle zu erhalten. Eine Rückzahlung der Anteile setzt allerdings regelmäßig voraus, dass das Jahresergebnis der Emittentin positiv ausfällt. Zudem wird die Rückzahlung in der Regel von bestimmten weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht, beispielsweise aufsichtsrechtlichen Tests. Wer als Investor auf sein Geld vor oder am ersten Rückzahlungstermin (bei nicht erfolgter Kündigung durch den Emittenten) angewiesen ist, dem bleibt nur die Möglichkeit, die Anteile über den Markt zu verkaufen.
Kursrisiko bei Verkauf über die Börse
Ein Verkauf über die Börse ist jedoch mit den üblichen Kursrisiken verbunden. Wer also beispielsweise die Hybridanlage der Commerzbank mit der Bezeichnung „Commerzbank Vario Zins plus Hybridanleihe“ (WKN: CK 4578) verkaufen will, realisiert dabei derzeit einen Verlust von über 60 Prozent. Die Anleihe dümpelt zurzeit bei 39,6 Prozent (Stand 07. Dezember 2009). Nicht viel besser sieht es beispielsweise bei der Anleihe DZ BANK Perpetual Funding Issuer (Jersey) Limited aus, die derzeit bei einem Kurs von 60 Prozent (Stand: 08. Dezember 2009) liegt. Noch härter trifft es die Anleger der Depfa-Anleihe Funding IV (WKN: A0LPRW); der Kurs notiert derzeit bei 10,5 Prozent (Stand: 08. Dezember 2009).
Ausfall der Kuponzahlung
Die Hybridanleihen sind vor allem damit beworben worden, dass sich hiermit eine höhere Rendite als beispielsweise mit herkömmlichen Festgeldanleihen erzielen lässt. Die Verzinsung ist dabei zum Teil fest, teilweise variabel geregelt. Eine variable Verzinsung ist oftmals an den 3-Monats-Euribor gekoppelt und sieht eine zusätzliche Zinsmarge für den Anleger vor, zum Beispiel in Höhe von 1,6 Prozent bei dem DZ Bank Capital Funding Trust II.
Auch die einzelnen Zins- bzw. Couponzahlungen sind keineswegs gesichert, sondern oft an einen Bilanzgewinn oder eine Dividendenzahlung gekoppelt. Ist die Kuponzahlung für einen bestimmten Fälligkeitstermin gestrichen worden, erfolgt nach den Anleihebedingungen regelmäßig keine Nachzahlung der ausgefallenen Zinszahlungen.
Emittentenrisiko trifft Nachranggläubiger
Auch wenn bei den meisten Anleihen eine vollständige Rückzahlung des Kapitals zum Kündigungszeitpunkt vorgesehen ist, trifft gerade die Nachranggläubiger das sogenannte Emittentenrisiko. Sollte eine Bank pleite gehen, werden alle anderen Gläubiger bis auf die Aktionäre vorrangig bedient. Dies folgt schlussendlich aus dem Eigenkapitalcharakter der Anleihe. Wenn der Eintritt dieses Risikos in Deutschland auch äußerst unwahrscheinlich war und ist, hat doch beispielsweise die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers Inc. gezeigt, dass grundsätzlich auch eine Bankeninsolvenz denkbar ist. Es kann daher im „worst case“ dazu kommen, dass Anleger bei einer Pleite der Bank oder der Tochtergesellschaft einen Totalverlust beklagen müssen. Die Einlagensicherungseinrichtungen greifen in einem solchen Fall nicht.
Bewertung von Tier 1-Anleihen sinkt
Bei einzelnen Tier 1-Anleihen sind bereits die Ratings gesenkt worden. So hat die Ratingagentur Standard & Poors die Bewertung einzelner Hybridanleihen der Commerzbank, Dresdner Bank, EuroHypo, Dexia/Depfa Bank und Northern Rock auf „Non-Investment Grade“ gesenkt.
Bis vor kurzem war der Markt für Tier-Anleihen aufgrund der Verunsicherung der Anleger nahezu tot. Vor Kurzem haben allerdings zwei deutsche Großbanken, die Deutsche Bank AG sowie die WestLB, Anleihenemissionen über 1,25 Mrd. € bzw. 750 Mio. € an den Markt gebracht.
Unterscheidung von Assetklassen bei Bankanleihen
Tier 1 = EK, Laufzeit unendlich, Kündigung nur mit Genehmigung der Aufsicht, Ausfallrisiko Kupon, keine nachträgliche Zahlung, Verlustbeteiligung möglich. Stille Beteiligung
Upper Tier 2 = Ergänzungskapital 1. Klasse, nicht zwingend unendliche Laufzeit, Kupon kann ausfallen, Nachzahlungsanspruch möglich, nachrangig gegen Lower Tier 2
Lower Tier 2 = Ergänzungskapital 2. Klasse, lange, feste Laufzeit, wird teilweise auf EK angerechnet, unbedingter Zahlungsanspruch, keine Verlustbeteiligung, nachrangig gegen Tier 3
Tier 3 = kurzfristige nachrangige Verbindlichkeiten ohne vorzeitiges Kündigungsrecht. Selten in D.
Senior = übliche Anleihen-Konditionen, Zinsanspruch, Verkauf/Kündigung durch Erwerber