Großer Schadensersatz
Spricht ein Gericht im Abgasskandal großen Schadensersatz zu, kann der erfolgreiche Kläger den Kaufvertrag rückabwickeln und sein manipuliertes Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises (unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung) zurückgeben.
Was bedeutet großer Schadensersatz?
Großer Schadensersatz bedeutet im Kaufrecht, dass der Verbraucher Schadensersatz statt der Leistung erhält. Der Kaufvertrag wird also rückabgewickelt und der Käufer kann die Sache (im Falle des Dieselskandals das betroffene Fahrzeug) gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben. Im Sonderfall des Dieselskandals müssen sich Verbraucher dabei eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, die anhand der bereits gefahrenen Kilometer berechnet wird, denn sie haben das Fahrzeug ja bereits nutzen können.
Wie unterscheidet sich der große vom kleinen Schadensersatz?
Während das betroffene Fahrzeug beim großen Schadensersatz zurückgegeben wird, kann es beim kleinen Schadensersatz behalten werden. Der Käufer erhält stattdessen eine Summe zugesprochen, die dem Differenzschaden entspricht - also dem Wert, den das Fahrzeug tatsächlich weniger wert war, als gezahlt wurde. Die Hürden, um großen Schadensersatz zu erhalten, sind deutlich höher, als beim Differenzschadensersatz. So müssen Kläger dem Hersteller eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung aus § 826 BGB nachweisen. Um Anspruch auf den kleinen Schadensersatz zu haben, reicht es aus, wenn der Hersteller die Abschalteinrichtung bereits fahrlässig verbaut hat. Ein fahrlässiger Einbau wird in der Rechtsprechung überwiegend beispielsweise beim Thermofenster gesehen.
Im Juni 2023 änderte der BGH seine Rechtsprechung und passte diese einem EuGH Urteil aus dem März 2023 an (VIa ZR 335/21). Seit dem ist auch die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen in Form des kleinen Schadensersatzes möglich. Die Entschädigung kann sich dabei auf bis zu 15% des ursprünglich gezahlten Kaufpreises belaufen.
Auch nach dem BGH Urteil aus dem Juni 2023 können nach wie vor Ansprüche auf den großen Schadensersatz durchgesetzt werden.
Wann kommt der große Schadensersatz im Abgasskandal zur Anwendung?
Im Abgasskandal war der große Schadensersatz lange Zeit die einzige Möglichkeit für betroffene Autokäufer, eine Entschädigung zu erhalten. Mit Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) hatte der Bundesgerichtshof die Volkswagen AG zu Schadensersatz aus § 826 BGB verurteilt. Der BGH sah es als erwiesen an, dass sich in VW Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA189 eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik befand und dass VW seine Kunden hiermit vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hatte. Der erfolgreiche Kläger konnte den Kaufvertrag deshalb rückabwickeln und seinen Diesel an VW zurückgeben. Im Gegenzug erhielt er den Kaufpreis zurück, musste sich dabei jedoch eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.
Ein Anspruch auf den großen Schadensersatz kann im Dieselskandal sowohl bei Neuwagen, als auch bei Gebrauchtwagen bestehen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Um Anspruch auf den großen Schadensersatz zu haben, müssen Käufer dem Hersteller eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachweisen. Das heißt, zum einen muss eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden sein und zum anderen muss der Hersteller diese mit Vorsatz und gegen die guten Sitten verstoßenden Weise eingebaut bzw. das Fahrzeug verkauft haben.
§ 826 BGB:
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Der BGH sprach in seinem Urteil in diesem Zusammenhang auch von einer arglistigen Täuschung.
Wie wirkt sich der Nutzungsersatz auf die Erstattungssumme aus?
Bestätigt das Gericht den Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB und der Käufer kann sein Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben, muss er sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Das wurde bereits im BGH-Urteil gegen VW aus dem Mai 2020 klargestellt. Denn Kläger dürfen im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als sie es ohne den ungewollten Vertragsschluss stünden.
Für die Berechnung des Nutzungswertersatzes kommt es in erster Linie auf die mit dem Fahrzeug bereits gefahrenen Kilometer und auf die maximal mögliche Gesamtleistung an. Diese kann von jedem Gericht individuell festgelegt werden und liegt oft bei 250.000 Kilometern.
Die Formel lautet:
Für Neuwagen:
Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / maximale Gesamtlaufleistung
Für Gebrauchtwagen:
Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / (maximale Gesamtlaufleistung – Kilometer bei Kauf)