Lenkwinkelerkennung
Bei der Lenkwinkelerkennung handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, die in Fahrzeugen von VW, Audi und Porsche verwendet wurde. Dabei sind nicht nur Diesel, sondern auch Benziner von Audi betroffen. Sie wurde im Zuge des Abgasskandals bekannt.
Erstellt am - letztes Update:Wie funktioniert die Lenkwinkelerkennung?
Die Lenkwinkelerkennung funktioniert ähnlich wie die Fahrkurvenerkennung. Es geht darum, dass die Fahrzeuge anhand bestimmter Parameter die Prüfstandssituation erkennen, um dann in einen sauberen Modus zu schalten. Die Abgasreinigung ist aktiv, es wird ausreichend AdBlue eingespritzt, beziehungsweise die Abgasrückführungsraten sind so hoch, dass die Stickoxid-Grenzwerte nicht überschritten werden.
Im realen Betrieb auf der Straße dagegen wird die Abgasreinigung reduziert oder sogar ganz abgeschaltet und es werden viel mehr Stickoxide ausgestoßen als erlaubt.
Bei der Lenkwinkelerkennung wird der Einschlag des Lenkrads als Parameter genutzt. Auf dem Prüfstand fahren die Fahrzeuge geradeaus und das Lenkrad ist nahezu still. Als Grenzwert wird ein Einschlagswinkel von 15 Grad genutzt. Erkennt das Fahrzeug, dass das Lenkrad weiter eingeschlagen wird, geht es davon aus, dass es sich auf dem Prüfstand befindet und fährt die Abgasreinigung hoch.
Welche Fahrzeuge nutzen die Lenkwinkelerkennung?
Ein Gutachter, der in einem Verfahren vor dem Landgericht Offenburg einen Audi Q5 TFSI 2.0 untersuchte, entdeckte in dem Fahrzeug einen erheblichen Unterschied bei den Stickoxidemissionen, je nachdem wie weit das Lenkrad eingeschlagen war. Ohne Lenkeinschlag wurde die Abgasreinigung optimiert.
Auch interne Dokumente von VW erwähnen die Lenkwinkelerkennung. Das Dokument erwähnt konkret den Audi Q5 TFSI 2.0 und eine von diesem genutzte zyklusnahe Bedatung - also eine Bedatung speziell für den Prüfstand. Als ausschlaggebender Parameter wird dabei der Lenkradwinkel beschrieben. So heißt es:
"Warmlaufprogramm ist im NEFZ aktiviert, im Real Drive so gut wie nie. Austrittsbedingung Lenkwinkeleinschlag -> 15 Grad."
Im Dokument wird zudem darauf hingewiesen, dass diese Funktion den Behörden nicht bekannt sei. Ein klarer Hinweis darauf, dass es sich um eine illegale Abschalteinrichtung handelt, die geheim gehalten werden sollte.
Nimmt man den Motor (EA288) und das Automatikgetriebe (AL 551) des untersuchten Q5, dann liegt es nahe, dass auch die folgenden Benzin Fahrzeuge von Audi eine solche Lenkwinkelerkennung nutzen:
- A1
- A3
- A4
- A5
- A6
- A7
- A8
- Q3
- Q5
- Q7
Auch von Audi Dieseln ist bekannt, dass diese die Lenkwinkelerkennung nutzen. 24.000 Fahrzeuge der Modelle A7 und A8 wurden gar verpflichtend zurückgerufen.
Auch Porsche nutzte Motoren von Audi, so dass auch hier davon ausgegangen werden muss, dass die illegale Funktion verbaut wurde.
Die internen Dokumente von VW zeigen, dass auch dieser Hersteller die unzulässige Abschalteinrichtung verwendete.
Schadensersatz bei unzulässiger Abschalteinrichtung
Millionen Fahrzeuge sind im Abgasskandal betroffen. Diverse Autobauer nutzten Abschalteinrichtungen, die von Gerichten als unzulässig eingestuft werden. Käufer betroffener Dieselfahrzeuge können deshalb Schadensersatz geltend machen. Die Lenkwinkelerkennung ist dabei nur eine von vielen unzulässigen Abschalteinrichtungen, die die Hersteller verwendet haben. Als diese bekannt wurden, ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt Rückrufe an. Die betroffenen Fahrzeuge müssen ein Software-Update bekommen, damit die Abgasreinigung auch auf der Straße funktioniert.
Der Bundesgerichtshof hat mit seinen Urteilen die zivilrechtliche Aufarbeitung des Abgasskandals vorangetrieben, indem er (wenn auch meist erst nach voran gegangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs) Schadensersatzansprüche für viele Modelle bestätigte. Das erste BGH-Urteil im Dieselskandal fiel bereits im Mai 2020 gegen die Volkswagen AG. Nach einer Anpassung seiner Rechtsprechung ist es für Betroffene ist es seit Juni 2023 zudem deutlich einfacher geworden, ihre Ansprüche im Dieselskandal durchzusetzen.