Zykluserkennung

Verfügt ein Fahrzeug über eine Zykluserkennung, kann es anhand verschiedener Parameter erkennen, wenn es sich auf dem Prüfstand befindet. Hersteller wie VW haben dies dazu genutzt, auf dem Prüfstand in einen sauberen Modus zu schalten, während die Fahrzeuge im realen Betrieb auf der Straße ein Vielfaches an Stickoxid ausstießen. 

Was bedeutet Zykluserkennung?

Bei der Zykluserkennung handelt es sich um eine technische Funktion in der Motorsteuerung. Ein Fahrzeug mit Zykluserkennung erkennt die Prüfstandssituation.

Eine Zykluserkennung an sich ist nicht unbedingt verboten. Wenn sie genutzt wird, um auf dem Prüfstand einen anderen Modus der Abgasreinigung zu nutzen, als auf der Straße (wie dies beispielsweise VW im Abgasskandal getan hat), handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.

Anhand welcher Parameter erkennt die Zykluserkennung den Prüfstand?

Die Vorgaben für den Prüfstand sind bekannt und leicht zu erkennen, da es sich um genau definierte Laborbedingungen handelt. Eine Manipulation war somit relativ einfach. Zu den Parametern, die eine Zykluserkennung nutzt, um den Prüfstand zu erkennen, gehören:

Geschwindigkeitsprofil

  • Sehr gleichmäßiger Fahrverlauf, z. B. exakt definierte Beschleunigungs- und Verzögerungsphasen
  • Kein spontanes Bremsen oder Beschleunigen
  • Konstante Abfolge von Stop-and-Go-Phasen (z. B. wie im NEFZ)

Lenkwinkel / Lenkradbewegung

  • Keine oder kaum Lenkradbewegung
  • Auf dem Prüfstand wird nicht gelenkt → Lenkwinkelsensor liefert konstanten Wert
  • Auch als Lenkwinkelerkennung (unzulässige Abschalteinrichtung) bekannt

Art der Beschleunigung

  • Geringe bis mittlere Lastanforderungen
  • Kein „Kickdown“ oder extremes Gasgeben

Betriebsdauer & Zeitmuster

  • Testzyklen haben feste zeitliche Abläufe (z. B. NEFZ dauert genau 1180 Sekunden)
  • Die Software kann erkennen, ob sich das Fahrzeug z. B. in der Phase 1 oder 2 des Tests befindet
  • Fiat nutzte einen Timer, bei dem nach 22 Minuten die Abgasreinigung abgeschaltet wurde

Ganganzeige / Gangwechsel

  • Auf Prüfständen wird oft im gleichen, vorher definierten Gang geschaltet
  • Automatikfahrzeuge nutzen immer ähnliche Schaltpunkte

Raddrehzahlen vorn / hinten

  • Nur angetriebene Räder werden bewegt → z. B. bei einem Fronttriebler: Vorderräder drehen sich, Hinterräder nicht
  • Auf der Straße wäre das untypisch → auf Prüfstand ein klares Signal

GPS-Signal fehlt

  • Kein GPS-Signal bzw. keine Positionsveränderung → Hinweis auf stationären Betrieb

Außentemperatur konstant / Umgebung

  • Konstante Temperatur im Testraum (oft 20–30 °C)
  • Beim von vielen Herstellern genutzten Thermofenster funktioniert die Abgasreinigung nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs - wie er auf dem Prüfstand herrscht
  • Keine Erschütterungen, keine Höhenänderung etc.

Wie funktioniert die Zykluserkennung technisch?

Die verschiedenen Parameter ergeben ein Muster. Entspricht das Muster dem Prüfzyklus, kann eine spezielle Motorsteuerung aktiviert werden. Im Dieselskandal wurde dabei die Abgasreinigung aktiv, so dass die Fahrzeuge die Grenzwerte für Stickoxid nicht überschritten und "sauber" wirkten. Im Realbetrieb auf der Straße stießen sie dagegen viel mehr Stickoxid aus, weil die Abgasreinigung reduziert oder sogar ganz abgeschaltet wurde.

Welche Rolle spielte die Zykluserkennung im Abgasskandal?

Bei der Zykluserkennung handelt es sich um eine der wichtigsten illegalen Abschalteinrichtungen im Abgasskandal. Sie wurde vor allem durch Volkswagen bekannt. 

Die im Dieselmotor EA189 vorhandene Prüfstandslogik löste den Abgasskandal aus. Auch der Nachfolger des EA189 Motors, der EA288, verfügte über eine Zykluserkennung. In internen Volkswagen Dokumenten zum Motor EA288 heißt es beispielsweise:

"Nutzung und Erkennung des NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung streckengesteuert auszulösen."

Die Behörden verhielten sich im Abgasskandal zunächst sehr zurückhaltend. Im Verfahren gegen den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler sagte ein Mitarbeiter des KBA aus, dass man sich nach Auffliegen des Abgasskandals 2015 zunächst mit den Erklärungen von Audi zufrieden gegeben hätte. In 2017 habe das KBA dann aber selbst die Expertise aufgebaut, um auch bei Audi eine Zykluserkennung festzustellen.

Aktive und "zufällige" Zykluserkennung

Die von VW genutzte Zykluserkennung erkannte aktiv den Prüfstand und schaltete daraufhin in einen sauberen Modus. Eine klare Manipulation. Bei anderen Herstellern war es so, dass sie ebenfalls die Abgasreinigung beeinflussten. Sie nutzten dafür verschiedene Parameter, so dass die Abgasreinigung zwar theoretisch auch im realen Betrieb auf der Straße aktiv war, praktisch jedoch nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand. Auch dies stellt in der Regel eine illegale Abschalteinrichtung dar.

So urteilte der Europäische Gerichtshof, dass eine Abschalteinrichtung, die den überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist, unzulässig sei - auch, wenn dies laut Hersteller aus Gründen des Motorschutzes notwendig sei.