Am 01.07.2019 strahlte die ARD eine Reportage aus, die bisher unbekannte Details aus dem Audi Abgasskandal ans Licht brachte. Zu verdanken war dies einer investigativen Recherche vom Handelsblatt und dem Bayerischen Rundfunk, die zehntausende Seiten von bisher nicht veröffentlichten Dokumenten aus dem Audi Abgasskandal auswerteten. Dabei ging es auch Emails und Präsentationen, aus denen hervorgeht, wie lange Audi schon betrog und sich sehr wohl darüber bewusst war. So dichtete ein Audi Software Entwickler bereits 2003 den Erlkönig zum Thema Abschalteinrichtung um und machte sich dabei über die amerikanischen und die deutschen Behörden, unter anderem das Kraftfahrt-Bundesamt lustig. Er erwähnt darin auch wörtlich das Defeat Device – eine illegale Abschalteinrichtung, die seit 2003 verbaut wurde.
Der sauberste Diesel der Welt ist eine Farce
2007 bzw. 2008 stellte Audi in Amerika und Deutschland seine neue umweltfreundliche Dieseltechnik vor und machte Werbung mit dem angeblich „saubersten Diesel der Welt“. Doch die Entwickler gerieten im Hinblick auf die Markteinführung immer stärker unter Druck, wie auch eine E-Mail eines leitenden Ingenieurs vom Januar 2008 zeigt: „Ganz ohne Bescheißen werden wir es nicht schaffen“. Ebenfalls aus dem Jahr 2008 stammt eine Audi interne Präsentation, in der vom Cycle Beating die Rede ist – so wird es in der Autobranche bezeichnet, wenn das Fahrzeug erkennt, dass es sich auf dem Prüfstand befindet und deshalb die Motorsteuerung auf ein schadstoffarmes System umstellt. In der Präsentation wird darauf hingewiesen, dass dies in den USA äußerst kritisch sei.
Volkswagen macht seine eigenen Gesetze
Doch bei Audi herrschte eine Atmosphäre der Angst und in den oberen Etagen ein kaum vorhandenes Gerechtigkeitsgefühl. So lautet ein überliefertes Zitat aus dem Vorstand: „Es gibt Gesetze und es gibt Volkswagen und der Konzern macht seine eigenen Gesetze.“
Schließlich kam der Audi Abgasskandal aber doch an die Öffentlichkeit. Wenn auch die Politik kein allzu großes Interesse an einer Aufklärung zu haben schien. 2016 mussten sich Vertreter von Porsche und Audi vor dem KBA rechtfertigen und die schlechten Schadstoffwerte im Straßenbetrieb erklären. Das KBA hatte mehrere gefundene Abschalteinrichtungen als kritisch eingestuft, gab sich aber mit den Erklärungen der Hersteller zufrieden und entließ sie mit dem Versprechen, einen freiwilligen Rückruf für betroffene Fahrzeuge durchzuführen.
Das KBA hält sich bei den Ermittlungen gegen Audi zurück
Im Oktober 2017 gab es schließlich doch noch einen offiziellen Rückruf für den Audi A8 durch das KBA – wobei der Bescheid an Audi nicht öffentlich gemacht wurde. Das KBA fordert darin die Entfernung von allen unzulässigen Abschalteinrichtungen, überlässt es dabei aber Audi, selbst zu entscheiden, was als Abschalteinrichtung gilt. In der Öffentlichkeit wurde nur über eine unzulässige Abschalteinrichtung berichtet. Insgesamt gab es aber vier verschiedene Strategien, die das KBA nicht einmal selbst ausführlich prüfte, sondern sich dabei auf Angaben von Audi verließ. Audi erklärte sich demnach bereit, die drei zusätzlichen Strategien im Rahmen eines freiwilligen Software-Updates zusammen mit dem verpflichtenden Update zu entfernen – ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas mitbekam. Und selbst das verpflichtende Update wurde noch nicht vollständig durchgeführt, bzw. die vollständige Software wurde dem KBA noch nicht zu Freigabe vorgelegt. Obwohl das KBA Audi ursprünglich eine Frist von einem Monat dafür genannt hatte, sind nach inzwischen fast zwei Jahren noch immer nicht alle Audi A8 entsprechende mit einem Software-Update versehen worden. Strafen gibt es dafür vom KBA keine.
Staatsanwaltschaft droht KBA mit Ermittlungen wegen versuchter Strafvereitelung
Es gibt weitere Hinweise, dass das KBA bei Audi mehr als nur ein Auge zugedrückt hat. So bezeichnete das KBA die so genannte Akustikfunktion im Jahr 2018 als unzulässige Abschalteinrichtung. Diese wurde in Euro 4 Dieseln aus den Jahren 2003 bis 2010 verbaut- Einen Rückruf sprach das KBA dafür aber nicht aus. Auf Nachfrage, warum hier nicht gehandelt wurde, verweigerte das Verkehrsministerium die Antwort. Das KBA verhielt sich während der Ermittlungen sogar so unkooperativ, dass die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen aufgrund von versuchter Strafvereitelung drohte.
Anklagen im Audi Abgasskandal für Sommer 2019 erwartet
Audi hat sich mit dem „Vorsprung durch Technik“ ins Abseits manövriert und systematischer manipuliert als bislang gedacht. Grund dafür war wohl eine Mischung aus Arroganz, Geldgier und der Firmenkultur, an der man jetzt arbeiten will – diese zu verändern wird aber laut Audi wohl Jahrzehnte dauern. Im Juni wurde der Vorstandsvorsitzende Stadler verhaftet und saß vier Monate in Untersuchungshaft. Noch immer wird gegen 27 Beschuldigte ermittelt. Noch im Sommer 2019 wird mit den ersten Anklagen gerechnet – dann wird der Audi Abgasskandal auch vor Gericht aufgearbeitet werden müssen.