Die Gesellschafter der Schifffahrts-Gesellschaft „HS Carmen“ mbH & Co. KG haben unangenehme Post von der Treuhandgesellschaft erhalten. Darin werden die Anleger aufgefordert, 18 Prozent der erhaltenen Liquiditätsausschüttungen bis zum 2. April 2013 an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Im Namen der Fonds-Geschäftsführung verweist die AGR Aktiengesellschaft für Revision und Treuhand auf den Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25. Februar 2013. Bei der Veranstaltung wurden die Anleger vor die Alternativen gestellt, entweder der Veräußerung des Schiffs oder der Rückführung der „darlehensweise“ gewährten Liquiditätsausschüttungen zuzustimmen. Mehr als 90 Prozent der Beteiligten haben sich gegen den Verkauf des Schiffs entschieden. Dieses Ergebnis hat die Geschäftsführung als Zustimmung zur Rückzahlung der Ausschüttung interpretiert. Es ist allerdings fraglich, ob die Rückforderung der Ausschüttungen rechtlich zulässig ist.
Der Bundesgerichtshof hat in zwei aktuellen Entscheidungen vom 12. März 2013 – II ZR 73/11 – und – II ZR 74/11 – geurteilt, dass gewinnunabhängige Ausschüttungen eines Schiffsfonds “nur dann von den Gesellschaftern zurückgefordert werden können, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.” Diesen Verfahren lagen vergleichbare Fälle zugrunde. Auch in diesen wurden die gewinnunabhängigen Entnahmen auf ein Darlehenskonto gebucht. Die Fondsgesellschaften argumentierten, dass es sich bei den Ausschüttungen um Darlehen handele, die durch die Rückforderung fällig gestellt worden seien. Der Bundesgerichtshof sah das allerdings anders. Begründung: Allein der Umstand der gewinnunabhängigen Auszahlung ließe einen Rückforderungsanspruch nicht entstehen. Soweit in den Ausschüttungen eine Rückzahlung der Kommanditeinlage zu sehen sei, beträfe dies nur die Außenhaftung des Kommanditisten. Im Innenverhältnis zur Gesellschaft seien die Gesellschafter hingegen frei, ob und mit welchen Rechtsfolgen sie Einlagen zurückgewähren. Für den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft bedürfe es einer vertraglichen Abrede. Das heißt für die „HS Carmen“: Weder der Gesellschafts- noch der Treuhandvertrag enthalten eine entsprechende Regelung zur Rückforderung der Ausschüttungen. Die bloße Bezeichnung als Darlehen ist dafür nicht ausreichend. Die Anleger der „HS Carmen“ sollten jedoch bedenken: Verweigern sie die Rückzahlung der Ausschüttung, besteht die Gefahr einer Insolvenz beziehungsweise die Gefahr einer Kündigung des Darlehens durch die Bank. Sollte das eintreten, hätten die Anleger nichts gewonnen. Denn bei einer Insolvenz müssen – aufgrund handelsrechtlicher Regelungen — Ausschüttungen zurückgezahlt werden. Die Anleger sollten also kritisch prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, die von der Geschäftsführung geforderte Rückzahlung der Ausschüttungen vorzunehmen. Die „HS Carmen“ reiht sich damit nahtlos in die Riege der zahlreichen Schiffsfonds ein, die im Zuge der Finanzkrise in Schieflage geraten sind. Rund ein Drittel der von Anlegern finanzierten Schiffe befinden sich mittlerweile in finanziellen Schwierigkeiten, 150 Schiffe sind bereits in der Insolvenz. Anleger der „HS Carmen“ sollten in jedem Fall prüfen lassen, ob sie Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend machen können. Und wenn gute Chancen bestehen, mit der anlageberatenden Bank oder Sparkasse kurzfristig zu einem außergerichtlichen Vergleich zu kommen, sollte der Anleger die 18 Prozent der erhaltenen Ausschüttungen nicht zurückzahlen.