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EuGH-Urteil zum Autokredit Widerruf

Mit seinem Urteil vom 09.09.2021 ermöglichte der EuGH Millionen von Verbrauchern die Option, ihren Kreditvertrag auch Jahre nach seinem Abschluss noch zu widerrufen.

Das Gericht beantwortete die ihm vorgelegten Fragen im Vorabentscheidungsverfahren ganz überwiegend verbraucherfreundlich.

Hier erfahren Sie, um welche Fragen es ging und welche Rechte Darlehensnehmer jetzt haben!


EuGH-Urteil zum Autokredit Widerruf

Die Verfahren C-33/20, C-155/20 und C-187/20

Das Landgericht Ravensburg hatte sich Anfang 2020 mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gewandt. Dieser sollte zahlreiche Fragen klären, die das Gericht hinsichtlich des Widerrufrechts von Verbrauchern aufgrund von fehlerhaften Verbraucherkreditverträgen (in allen Fällen handelte es sich um Autokreditverträge) hatte.

Das Gericht befasste sich dabei mit drei Verfahren, die jeweils zwischen einem und drei Klägern hatten. Insgesamt ging es deshalb um drei Verfahren mit sechs Einzelfällen.

C-33/20:

Der Kläger schloss am 19.12.2015 mit der Volkswagen Bank einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Pkws ab. Dabei handelte es sich um ein Fahrzeug von Volkswagen. Die Darlehenssumme belief sich auf 10.671,63 Euro.

Am 22.01.2019 widerrief der Kläger den Vertrag. Er verlangt die Rückzahlung der Raten und der Anzahlung, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. VW hält die Widerrufsfrist dagegen für abgelaufen und erkennt den Widerruf daher nicht an.  

C-155/20:

In diesem Verfahren werden gleich drei Fälle verhandelt.

Ein Kläger schloss am 03.01.2015 einen Autokreditvertrag mit der Volkswagen Bank über 11.257,14 Euro ab. Er finanzierte damit den Kauf eines Volkswagen Fahrzeugs.

Am 22.11.2018 widerrief er den Vertrag. Bis dahin hatte er alle Raten regelmäßig gezahlt und war nahezu schuldenfrei. Auf dem Wege des Widerrufs will er die Erstattung von Raten und Anzahlung gegen Rückgabe des Fahrzeugs erreichen.

Die zweite Klägerin schloss ihren Vertrag mit der Volkswagen Bank am 23.05.2015. Die Darlehenssumme belief sich auf 16.400,00 Euro, mit der ein VW Fahrzeug finanziert wurde.

Zum 01.05.2018 zahlte die Klägerin die Schlussrate, womit das Darlehen vollständig abgelöst war. Einen Monat später verkaufte sie das Fahrzeug. Am 05.01.2019 schließlich widerrief sie den Autokreditvertrag. Sie verlangt die Rückzahlung von Raten und Anzahlung unter Anrechnung des Verkaufserlöses, das sie beim Verkauf des Fahrzeugs erzielt hatte.

Die dritte Klägerin diesem Verfahren schloss ihren Darlehensvertrag über die Finanzierung eines Skoda Pkws mit der Skoda Bank. Die Darlehenssumme belief sich auf 7.332,34 Euro und der Autokreditvertrag wurde am 24.07.2014 geschlossen.

Bereits im August 2016 konnte sie das Darlehen vollständig ablösen. Am 25.04.2019 schließlich widerrief sie dann den Vertrag und verlangt die Erstattung sämtlicher Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung – gegen Rückgabe des Wagens.

C-187/20:

Diese Rechtssache umfasst zwei Einzelfälle.

Ein Kläger schloss am 04.05.2017 einen Vertrag über einen Autokredit mit der BMW Bank. Mit der Summe in Höhe von 24.401,84 Euro finanzierte er den Kauf eines Pkws von BMW.

Am 13.06.2019 widerrief er diesen Autokreditvertrag.

Der zweite Kläger schloss einen Vertrag mit der Audi Bank. Mit der Summe in Höhe von 37.710,00 Euro finanzierte er den Kauf eines Audis.

Am 12.01.2019 widerrief auch er seinen Vertrag.

Die Fragen – welche Rechte haben Verbraucher?

Aufgrund der ähnlich gelagerten Fälle fasste das Landgericht Ravensburg diese zusammen und legte dem EuGH insgesamt acht Fragen zur Klärung vor.  Einige davon betreffen nur ein Verfahren, andere zwei oder gar alle drei.

  1. Muss bei der Art des Kredits angegeben werden, dass es sich um einen verbundenen oder einen befristeten Kreditvertrag handelt? (nur C-187/20)
  2. Muss bei einem verbundenen Kreditvertrag angegeben werden, dass der Verkäufer den gekauften Gegenstand bei vollständige Bezahlung auszuhändigen hat? (nur C-187/20)
  3. Muss im Kreditvertrag der geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl genannt werden (oder zumindest der geltende Referenzzinssatz als absolute Zahl)? (C-33/20, C-155/20 und C-187/20)
  4. Muss im Kreditvertrag ein konkreter, vom Verbraucher nachvollziehbarer rechenweg zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung angegeben werden? (C-33/20, C-155/20 und C-187/20)
  5. Muss das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund im Kreditvertrag angegeben werden und muss auf die Frist und Form für die Kündigungserklärung hingewiesen werden? (C-33/20, C-155/20 und C-187/20)
  6. Darf sich der Kreditgeber auf den Einwand der Verwirkung berufen? (C-155/20 und C-187/20)
  7. Darf sich der Kreditgeber auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen? (C-155/20 und C-187/20)
  8. Müssen die wesentlichen formalen Voraussetzungen für eine Beschwerde im Kreditvertrag mitgeteilt werden? Reicht es aus, wenn auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung verwiesen wird? (C-187/20)

 


Das Urteil des EuGH – verbraucherfreundlich entschieden

Der Europäische Gerichtshof befasste sich mit allen acht ihm vorgelegten Fragen zur Klärung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen, wie zum Beispiel Autokreditverträgen. Nur zwei beantwortete er dabei im Sinne der Banken. Sechs Fragen dagegen beurteilte der EuGH verbraucherfreundlich, so dass das Urteil insgesamt als großer Erfolg für Verbraucher zu werten ist.

Frage 1 (Art des Kredits)

Sofern es sich um einen verbundenen Vertrag handelt und dieser befristet geschlossen wurde, müssen beide Informationen in klarer und prägnanter Form angegeben werden, so das Gericht zu dieser Frage.

Frage 2 (Aushändigung)

Handelt es sich um einen verbundenen Vertrag, muss nicht angegeben werden, dass der Verkäufer den gekauften Gegenstand auszuhändigen hat, sofern der Kaufpreis vollständig beglichen wurde.

Frage 3 (Verzugszinssatz)

Die vielleicht wichtigste Entscheidung betrifft die Angabe des Verzugszinssatzes im Kreditvertrag. Hierzu äußerte sich der EuGH in seinem Urteil wie folgt. Der zum Zeitpunkt des Vertragsabschluss geltende Verzugszinssatz muss in Form eines konkreten Prozentsatzes angegeben werden. Zudem muss der Mechanismus zur Anpassung des Verzugszinssatzes konkret beschrieben sein.

Frage 4 (Vorfälligkeitsentschädigung)

Auch hinsichtlich der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hatte der EuGH eine wichtige Entscheidung zu treffen. Demnach muss im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einer konkreten und für den Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise angegeben werden.

Frage 5 (Kündigungsrecht)

Es ist nicht notwendig, dass im Vertrag alle Situationen genannt werden, in denen ein Kündigungsrecht nicht aufgrund der entsprechenden EU Richtlinie (Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48), sondern aufgrund einer innerstaatlichen Regelung besteht.

Frage 6 (Verwirkung)

Der Kreditgeber, also beispielsweise die Bank, darf sich bei einem Widerruf durch den Verbraucher nicht auf den Einwand der Verwirkung berufen, sofern der Widerruf aufgrund von fehlenden Pflichtangaben im Vertrag ausgeübt wurde.

Frage 7 (Rechtsmissbrauch)

Ebenso darf die Bank sich nicht auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen. Beides gilt unabhängig davon, ob der Kreditnehmer Kenntnis von seinem Widerrufsrecht hatte. Ein solcher Rechtsmissbrauch liegt laut Gericht auch dann nicht vor, wenn zwischen dem Vertragsabschluss und dem Widerruf schon eine erhebliche Zeit vergangen ist.

Frage 8 (Beschwerde)

Im Vertrag müssen alle wesentlichen Informationen über dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerdeverfahren genannt werden. Dazu gehören die Kosten, auf welchem Weg die Beschwerde einzureichen ist, die Adresse, an die die Beschwerde zu richten ist und sonstige formale Voraussetzungen. Ein reiner Verweis auf eine im Internet zugängliche Verfahrensordnung reicht demnach nicht aus.

Was bedeutet das Urteil des EuGH für den Kredit Widerruf von Verbrauchern?

Das verbraucherfreundliche Urteil des EuGH ermöglicht Millionen von Verbrauchern den Widerruf ihrer Verträge, beispielsweise Autokreditverträge.

Insofern ist dies eine Bestätigung des EuGH-Urteils vom 26.03.2020, bei dem der Europäische Gerichtshof bereits festgestellt hatte, dass Verträge, die den Kaskadenverweis enthalten, noch immer widerrufen werden können.

HAHN Rechtsanwälte hat sich auf den Widerruf von Autokreditverträgen spezialisiert und kann Verbrauchern mitteilen, dass gut 90% aller nach 2010 in Deutschland abgeschlossenen Autokreditverträge fehlerhaft sind und deshalb noch immer widerrufen werden können. In der Regel führt der Widerruf eines Autokreditvertrags nicht nur zur Rückabwicklung dieses, sondern auch des Kaufvertrags für das finanzierte Auto. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs muss die Bank Anzahlung und Raten zurückzahlen. Im Ergebnis führt dies zu einem wirtschaftlichen Vorteil des Verbrauchers, der regelmäßig im vierstelligen Bereich liegt.

HAHN Rechtsanwälte bietet Ihnen die kostenfreie Überprüfung Ihres Autokreditvertrags an. Wir prüfen, ob auch Sie Ihren Vertrag nach dem verbraucherfreundlichen EuGH-Urteil noch immer widerrufen können.

Profitieren Sie von unserer Expertise im Autokredit Widerruf und nutzen Sie das Urteil des EuGH zu Ihrem Vorteil!