EuGH Urteile zum Online-Glücksspiel (Casino und Sportwetten)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasst sich derzeit mit mehreren Verfahren zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Spielverluste bei Online-Sportwetten, Online-Poker oder Online-Casinos von Verbrauchern zurückgefordert werden können.
Erstellt am - letztes Update:C-440/23: EuGH zur Rückforderung von Verlusten aus Online-Glücksspiel
Am 09. April 2025 fand vor dem Europäischen Gerichtshof die mündliche Verhandlung zum Verfahren C-440/23 statt. Dabei muss sich der EuGH mit diversen Vorlagefragen beschäftigen, die ihm ein maltesisches Gericht vorgelegt hat.
Hintergrund ist, dass ein deutscher Spieler die Rückforderung seiner Verluste gegenüber einem maltesischen Glücksspielanbieter geltend machte. Die Klage auf Rückzahlung der Verluste wurde von einem deutschen Rechtsanwalt eingereicht, dem der Spieler seine Ansprüche zuvor abgetreten hatte. Das maltesische Gericht fällte kein Urteil in dem Verfahren, sondern wandte sich im Zuge eines Vorabentscheidungsverfahren im Juli 2023 an den Europäischen Gerichtshof.
Die Verluste waren dem Spieler aus Online-Zweitlotterien und Online-Automatenspielen (Slots) entstanden. Das zu erwartende Urteil des EuGH lässt sich jedoch auch auf andere Bereiche des Online-Glücksspiels übertragen.
Das maltesische Gericht möchte im Verfahren C-440/23 vom EuGH sieben Fragen beantwortet haben, die sich grundsätzlich darum drehen, inwieweit das deutsche Glücksspielgesetz (Verbot von Online-Casinospielen nach dem alten Glücksspielstaatsvertrag) mit Artikel 56 AEUV zum Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist:
1. Ist ein Verbot von Online-Automatenspielen in Deutschland mit EU-Recht vereinbar?
2. Ist dieses Verbot damit vereinbar, dass eine große Nachfrage von Spielern nach Online-Automatenspielen besteht und der deutsche Glücksspielstaatsvertrag darauf abzielt, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken?
3. Ist das Verbot damit vereinbar, dass die Bundesländer sich bereits darauf geeinigt haben, im Rahmen des zukünftigen Glücksspielstaatsvertrags (2021) Erlaubnisse erteilen zu wollen?
Die Fragen 4 bis 6 drehen sich ausschließlich um das Verbot von Zweitlotterien.
7. Können Spieler verlorene Einsätze aus dem Online-Glücksspiel zurückfordern und sich dabei auf das Fehlen einer deutschen Lizenz und auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen?
Diese letzte Frage ist dabei für die große Mehrheit der deutschen Spieler, die Verluste aus dem Online-Glücksspiel zurückfordern wollen, von größter Wichtigkeit.
Zum Vorabentscheidungsersuchen mit den ausführlichen Fragen gelangen Sie hier:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C_202300014
Da der EuGH sich in der Vergangenheit bereits mehrfach dazu geäußert hat, dass das Verbot von Online-Glücksspiel durch einzelne Mitgliedsstaaten gerechtfertigt sein kann, wird erwartet, dass sich der Generalanwalt des EuGH in seinen Schlussanträgen, die für den 10. Juli 2025 terminiert sind, dahingehend äußern und der EuGH entsprechend spielerfreundlich urteilen wird.
Aus den Urteilen C-186/11 und C-209/11 vom 24. Januar 2013:
„23 So können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein (Urteil Garkalns, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).“
„24 Der Gerichtshof hat insoweit wiederholt entschieden, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Gemeinschaft ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C 42/07, Slg. 2009, I 7633, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).“
Wir verfolgen die weitere Entwicklung des Verfahrens C-440/23 vor dem EuGH genau und aktualisieren unsere Berichterstattung fortlaufend.
EuGH zu Online-Sportwetten: BGH wendet sich an Europäischen Gerichtshof
Mit Beschluss vom 25. Juli 2024 (Aktenzeichen I ZR 90/23) legte der Bundesgerichtshof dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor, die sich um die Möglichkeit drehen, bei Online-Sportwetten verlorenes Geld zurückfordern zu können.
Der Kläger in dem Fall hatte zwischen 2013 und Oktober 2020 rund 3.700 Euro bei Online-Sportwetten auf der Plattform von Tipico verloren. Da Tipico in diesem Zeitraum über keine Lizenz für Online-Sportwetten in Deutschland verfügte, forderte der Kläger seine Verluste zurück, da der Vertrag zwischen ihm und Tipico nichtig sei. Tipico hatte eine Lizenz beantragt, erhielt diese aber aufgrund eines unionsrechtswidrigen Vergabeprozesses zunächst nicht. Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder stellte Tipico diese Lizenz schließlich am 09.10.2020 aus.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2024 deutete der Bundesgerichtshof an, sich auf die Seite des Klägers zu stellen. Er ist zwar der Meinung, dass Tipico eine Lizenz hätte erhalten müssen, da der Anbieter die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllte, deutete aber an, dass er Tipico dennoch zur Rückzahlung der Verluste verurteilen würde. Nichtsdestotrotz entschied sich der BGH, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die folgenden zwei Fragen vorzulegen:
1. Schließt es die Dienstleistungsfreiheit eines Glücksspielanbieters mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aus, einen über das Internet geschlossenen privatrechtlichen Vertrag über Sportwetten, die ohne die hierfür nach dem nationalen Recht erforderliche Erlaubnis angeboten wurden, als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt wurde?
2. Schließt es die Dienstleistungsfreiheit eines Glücksspielanbieters mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aus, das nationale Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet als Schutzgesetz mit der möglichen Folge einer Schadensersatzpflicht zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt wurde?
Der EuGH muss in diesem Verfahren (dem durch den EuGH noch kein Aktenzeichen zugewiesen wurde) nun also entscheiden, ob der Vertrag zwischen dem Spieler und Tipico nichtig war und Tipico das verlorene Geld erstatten muss, obwohl der Anbieter eine Lizenz beantragt hatte und diese auch hätte erhalten müssen, da das Lizenzverfahren unionsrechtswidrig war.
Der BGH tendiert wie geschrieben dazu, diese Frage zu bejahen und Tipico zu verurteilen. Ein Urteil des EuGH muss jedoch abgewartet werden, bevor der BGH dieses Verfahren wieder aufnehmen wird.
Der Beschluss des BGH ist hier nachzulesen:
Malta Bill 55: EuGH Verfahren C-683/24
Malta gilt als Mekka der Glücksspielindustrie. Ein großer Teil der Anbieter von Online-Casinos, Online-Poker und Online-Sportwetten hat seinen Sitz auf der Mittelmeerinsel. Die Glücksspielindustrie stellt somit für das Land eine der wichtigsten Einnahmequellen dar. Rückforderungen von Spielern sind somit eine konkrete Bedrohung für die einheimische Wirtschaft.
Um dem entgegen zu wirken, verabschiedete das maltesische Repräsentantenhaus im Juni 2023 die sogenannte Bill No. 55 als Ergänzung zum Gaming Act.
Die Bill No. 55 besagt, dass Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedstaaten für Verfahren gegen maltesische Glücksspielanbieter in Malta weder anerkannt noch vollstreckt werden.
Diese Verordnung stieß auf große Kritik, unter anderem bewertete die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder sie als nicht vereinbar mit europäischem Recht.
Am 16. Oktober 2024 reichte das Handelsgericht Wien schließlich ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH ein, um von diesem klären zu lassen, ob die Bill No. 55 der EU Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen entgegensteht.
Konkrete Termine für das unter dem Aktenzeichen C-683/24 laufende Verfahren stehen noch nicht fest. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der EuGH die Regelung für unionsrechtswidrig erklärt und die maltesische Gerichtsbarkeit zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen verpflichten wird.
Die Vorlagefragen zum Verfahren C-683/24 finden Sie hier:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=OJ:C_202500151