BGH Dieselskandal Urteile zur Entschädigung im Abgasskandal
Seit Mai 2020 fällt der Bundesgerichtshof regelmäßig Urteile im Dieselskandal. Erst in 2023 urteilte er, dass schon durch den fahrlässigen Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung ein Anspruch auf eine Entschädigung gegeben sein kann. Eine Übersicht über die wichtigsten Urteile des BGH im Dieselskandal.
Erstellt am - letztes Update:VIa ZR 1425/22: BGH bestätigt neue Rechtsprechung auch für Wohnmobile
Mit Urteil vom 27.11.2023 verwies der BGH ein Dieselskandal Verfahren an das zuständige Oberlandesgericht zurück (VIa ZR 1425/22). Dabei ging es um ein Wohnmobil des Herstellers Sunlight auf dem Basisfahrzeug Fiat Ducato. Der BGH bestätigte, dass seine neue Dieselskandal Rechtsprechung aus dem Juni 2023 auch für Wohnmobile gilt. Auch bei diesen ist den Käufern ein Differenzschaden entstanden, wenn sich in dem Wohnmobil eine fahrlässig eingebaute unzulässige Abschalteinrichtung befindet. Das OLG Bamberg als Berufungsgericht hatte festgestellt, dass sich mit dem Thermofenster eine solche unzulässige Abschalteinrichtung im Fahrzeug befindet. Schadensersatz hatte es jedoch abgelehnt mit dem Hinweis, dass dem Hersteller keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachzuweisen sei. Auch einen Anspruch aus § 823 BGB (also nach der neuen Dieselskandal Rechtsprechung des BGH) hatte es abgelehnt. Der BGH hat nun aber bestätigt, dass es keinen Unterschied macht, ob es sich um einen Pkw oder ein Wohnmobil handelt. Auch dass es bisher noch keinen Rückruf für das Fahrzeug gab, sei nicht relevant. Das OLG Bamberg muss sich nun erneut mit dem Fall beschäftigen und da es die Unzulässigkeit des Thermofensters bereits bestätigt hat, ist mit einer Verurteilung zu Schadensersatz zu rechnen. Dabei geht es um den Differenzschaden. Laut BGH können Käufer dabei zwischen 5% und 15% des Kaufpreises zugesprochen bekommen.
VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22 vom 26.06.2023: BGH reagiert auf EuGH
Am 26.06.2023 sprach der BGH drei weitere wegweisende verbraucherfreundliche Urteile im Dieselskandal. Dabei orientierte er sich am Urteil des EuGH aus dem März 2023 und gab seiner Rechtsprechung im Dieselskandal eine neue, verbraucherfreundliche Richtung. Der EuGH hatte deutlich gemacht, dass schon bei einem Schaden aus fahrlässiger Handlung ein Schadensersatzanspruch besteht - dem Hersteller muss also keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen werden, wie es der BGH bisher immer vertreten hatte. Diese neue verbraucherfreundliche Ausrichtung im Dieselskandal bestätigte der BGH nun mit seinen Urteilen VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22 vom 26.06.2023.
Bei den betroffenen Fahrzeugen in den drei Verfahren geht es um einen VW Passat mit Motor EA288, einen Audi SQ5 mit Motor EA896 und einen Mercedes C220d mit Motor OM651. Alle drei Fahrzeuge verfügen über die Abgasnorm Euro 6.
Der BGH verwies alle drei Dieselskandal Verfahren an die entsprechenden Oberlandesgerichte zurück, die die Klagen jeweils abgewiesen und keinen Anspruch auf Schadensersatz gesehen hatten. Der BGH machte nun aber deutlich, dass ein solcher Schaden vorliegt, wenn die Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind - und zwar ohne, dass dem Hersteller dabei eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen werden muss. Fahrlässiges Handeln reicht bereits aus, um einen Anspruch auf Schadensersatz zu begründen.
Der Schaden liegt darin begründet, dass dem Käufer das Fahrzeug nicht jederzeit zur Verfügung steht und zwar "weil aufgrund einer drohenden Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung die Verfügbarkeit des Fahrzeugs in Frage steht", so der BGH. Zudem könne man davon ausgehen, dass der Käufer "im Falle der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung das Fahrzeug nicht zu dem vereinbarten Preis gekauft hätte".
Im Ergebnis können betroffene Dieselkäufer nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz aufgrund einer Vermögensminderung fordern. Ihr Fahrzeug war durch das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung weniger wert. Der BGH sieht dabei einen Minderwert in Höhe von 5-15 % des Kaufpreises an.
Hierzu der BGH:
Dem einzelnen Käufer ist daher stets und ohne, dass das Vorhandensein eines Schadens als solches mittels eines Sachverständigengutachtens zu klären wäre oder durch ein Sachverständigengutachten in Frage gestellt werden könnte, ein Schadensersatz in Höhe von wenigstens 5% und höchstens 15% des gezahlten Kaufpreises zu gewähren.
Zusätzlich interessant an diesen Urteilen ist, dass es bei den vorliegenden unzulässigen Abschalteinrichtungen unter anderem auch um das Thermofenster ging, das von fast allen Autobauern eingesetzt wurde. Entsprechend viele Käufer sind von diesen jüngsten BGH Dieselskandal Urteilen betroffen und können Schadensersatz fordern.
VI ZR 40/20 vom 06.07.2021: Kleiner Schadensersatz
Viele im Abgasskandal betroffene Autofahrer möchten ihr Fahrzeug trotz der Betroffenheit behalten. Es reicht ihnen beispielsweise, dass die unzulässige Abschalteinrichtung durch ein Software-Update entfernt wurde. Hier kommt laut BGH ein sogenannter kleiner Schadensersatz in Frage. Dabei verbleibt das Fahrzeug beim Käufer. Dieser bekommt aber vom Hersteller eine Entschädigung in angemessener Höhe. Rund 20% des Kaufpreises haben sich dabei als realistischer Wert gezeigt. Dieser Weg bietet sich insbesondere bei Fahrzeugen an, die schon sehr viel gelaufen sind. Denn aufgrund des Abzugs der Nutzungsentschädigung kann sich hier ein „großer“ Schadensersatz als nicht lohnenswert herausstellen.
VI ZR 533/20 und 575/20 vom 20.07.2021: Weiterverkauf
Der BGH entscheidet mit einem Dieselskandal Urteil, dass auch dann ein Schadensersatzanspruch besteht, wenn ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattetes Auto bereits weiterverkauft wurde. In diesem Fall ist eine Rückgabe an den Hersteller gegen Erstattung des Kaufpreises und unter Anrechnung der Nutzungsentschädigung natürlich nicht möglich. Dafür wird der erzielte Verkaufserlös auf den Schadensersatz angerechnet. In der Regel ergibt sich so ein finanziell klarer Vorteil für die Kläger.
In einem zweiten Dieselskandal Urteil am selben Tag entschied der BGH, dass eine bei einem Neukauf erhaltene Wechselprämie nicht vom Schadensersatz abzuziehen sei. Der Kläger durfte diese also vollumfänglich behalten.
VI ZR 274/20 vom 13.04.2021: Finanzierung
Nächster Erfolg für Verbraucher vor dem BGH im Dieselskandal. Er entscheidet, dass bei einem Schadensersatzanspruch auch die Finanzierungskosten erstattet werden müssen. Denn gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB sind die Kläger so zu stellen, als hätten sie den Kaufvertrag für das Auto nicht unterschrieben. Demnach wären auch die Kosten für die Finanzierung, also Kreditzinsen und eine gegebenenfalls vorhandene Kreditausfallversicherung nicht entstanden. Der Hersteller muss also gegen Rückgabe des Fahrzeugs nicht nur den Kaufpreis erstatten, sondern auch die angefallenen Finanzierungskosten.
VI ZR 397/19 vom 30.07.2020: Nutzungsentschädigung
Kurz nach dem ersten vielbeachteten BGH Urteil im Dieselskandal entschied dieser, dass die abzuziehende Nutzungsentschädigung durchaus einen Schadensersatzanspruch komplett aufzehren könne. Wer mit einem betroffenen Dieselfahrzeug also entsprechend viele Kilometer gefahren ist, muss sich darauf basierend eine so hohe Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, dass vom gezahlten Schadensersatz nichts mehr übrig bleibt.
VI ZR 252/19 vom 25.05.2020: Grundsatzurteil zum Schadensersatz
Bald fünf Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals fällt der BGH endlich das lang erwartete und verbraucherfreundliche Urteil. VW habe dem Kläger vorsätzlich und sittenwidrig geschadet und sei ihm deshalb Schadensersatz schuldig, so der BGH. Die VW AG habe dabei das KBA bewusst und gewollt getäuscht, indem sie systematisch und langjährig Fahrzeuge in den Verkehr gebracht habe, die die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand einhielten. Eine klare Aussage des Bundesgerichtshofs!
Er bestätigte zudem, dass ein solcher Schadensersatzanspruch auch bei Gebrauchtfahrzeugen besteht.
Der Schadensersatzanspruch basiert auf den Paragraphen 826 und 31 BGB.
§ 826 BGB lautet:
„Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“
Durch das sittenwidrige Verhalten der VW AG sind Käufer betroffener Diesel Fahrzeuge eine ungewollte vertragliche Verpflichtung eingegangen. Gegen Rückgabe der Fahrzeuge können die Kunden demnach die Erstattung des Kaufpreises verlangen. Lediglich eine Nutzungsentschädigung, basierend auf den bereits mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometern, müssen sie sich dabei anrechnen lassen.
Mit diesem Urteil nahm die zivilrechtliche Aufarbeitung des Dieselskandals endlich an Fahrt auf. Über Jahre hatte VW es geschafft, ein Dieselskandal Urteil des BGH durch Zahlungen an Kläger zu verhindern. Wohl wissend, dass ein solches Urteil einem Dammbruch gleichkäme.
Weitere Informationen zum Urteil VI ZR 252/19
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