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EuGH zum Dieselskandal - Schadensersatz für betroffene Autofahrer

Der EuGH hat sich im Dieselskandal bereits mehrfach auf die Seite der Verbraucher gestellt. Am 21.03.2023 sprach er ein Urteil, das die Chancen betroffener Dieselkäufer auf Schadensersatz weiter steigen lässt. Mit Urteilen vom 14.07.2022 (C-128/20, C-134/20 und C-145/20), sowie vom 17.12.2020 (C-693/18) wurden zunächst bereits Abschalteinrichtungen für unzulässig erklärt und später das Thermofenster ganz explizit als unzulässige Abschalteinrichtung genannt. 

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Christian Rugen
Christian Rugen

Rechtsanwalt Christian Rugen ist Partner von HAHN Rechtsanwälte. Der Hamburger hat zahlreiche Grundsatzentscheidungen zu Gunsten von geschädigten Verbrauchern und Bankkunden erkämpft.

EuGH Urteil vom 21.03.2023: Schadensersatz im Dieselskandal bei fahrlässiger Handlung

Entgegen der bisherigen deutschen Rechtsprechung hat der EuGH (C-100/21) entschieden, dass bereits die einfache Fahrlässigkeit bei der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen für einen Schadensersatzanspruch ausreicht. Bisher war es notwendig, dass die Verbraucher dem Hersteller eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachweisen konnten.

Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB

Laut diesem neuen EuGH-Urteil haben Betroffene im Dieselskandal Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB.

§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Ein Anspruch auf Schadensersatz im Dieselskandal kann nach diesem EuGH-Urteil deshalb bereits bestehen, wenn der Hersteller des Diesel PKW nur fahrlässig gehandelt hat. Der Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, der für einen Anspruch nach § 826 BGB nötig ist, fällt deshalb nun weg. Die Chancen für betroffene Dieselkäufer, einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen, sind nach diesem EuGH-Urteil deshalb stark gestiegen.

EuGH-Richter folgen Schlussanträgen des Generalanwalts

Im Juni 2022 hatte Generalanwalt Rantos seine Schlussanträge zu diesem Verfahren eingereicht und dabei bereits auf den Schutzgesetz-Charakter zahlreicher Vorschriften der Richtlinie 2007/46 in Verbindung mit VO (EG) 715/2007 hingewiesen. Die Richter folgten nun seinen Anträgen.

Mercedes im Zentrum des EUGH-Urteils

Im Verfahren C-100/21 geht es um einen Mercedes Benz C 220 CDI mit dem Motor OM 651 und der Abgasnorm Euro 5. Das Fahrzeug wurde im März 2013 erstmals zugelassen und wurde vom Kläger im folgenden Jahr als Gebrauchtwagen erworben.

EuGH Urteil C-873/19: DUH darf klagen

Mit seinem Urteil vom 08.11.2022 hat der Europäische Gerichtshof die Deutsche Umwelthilfe und damit auch die Rechte von Verbrauchern weiter gestärkt. Denn er entschied, dass Organisationen wie die DUH sehr wohl das Recht haben, gegen die Bundesrepublik Deutschland - hier in Form des Kraftfahrt-Bundesamtes - zu klagen. Die Deutsche Umwelthilfe hatte das KBA aufgrund dessen Freigabe des VW Software-Updates verklagt, da dieses ihrer Meinung nach erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters enthalte. Der EuGH bestätigte nun, dass diese Klage rechtmäßig war. Schon kurz darauf zeigten sich erste Folgen. So urteilte das Verwaltungsgericht Schleswig bereits im Februar 2023, dass das KBA das VW Software-Update zu Unrecht freigegeben hatte und dieses aufgrund eines enthaltenen Thermofensters rechtswidrig sei.

EuGH-Urteil C-128/20, C-134/20, C-145/20: Thermofenster ist unzulässig

Mit seinem dreifachen Urteil C-128/20, C-134/20 und C-145/20 vom 14.07.2022 hat der Europäische Gerichtshof das Diesel Thermofenster für unzulässig erklärt. Österreichische Gerichte hatten sich in dieser Frage an den EuGH gewandt und dieser antwortete deutlich. Hintergrund der Verfahren sind Modelle von VW mit dem Motor EA189. Besonders problematisch für VW ist in diesem Zusammenhang, dass diese Modelle im Zuge des Dieselskandals ein Software-Update bekommen hatten - allerdings enthielt dieses das Thermofenster. Die Fahrzeuge sind also auch mit Software-Update nicht zulässig.

Thermofenster haben auch andere Hersteller, darunter Mercedes, BMW und Fiat verwendet. Auch auf diese lässt sich dieses Urteil übertragen.

Laut dieser Urteile stellt

"eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb des Thermofensters gewährleistet, eine nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtung"

dar.

EuGH-Urteil C-693/18: Abschalteinrichtungen sind unzulässig

Das Urteil C-693/18 des EuGH vom 17.12.2020 machte den Anfang einer Reihe von EuGH-Urteilen zum Diesel Abgasskandal. Darin äußerte sich der Europäische Gerichtshof erstmals eindeutig zu Abschalteinrichtungen und wann diese als unzulässig einzustufen seien.

Der EuGH machte in diesem Zusammenhang deutlich:

  1. Eine Software, die die Höhe der Fahrzeugemissionen nach Maßgabe der von ihr erkannten Fahrbedingungen modifiziert und die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nur unter Bedingungen gewährleistet, die den für die Zulassungsverfahren geltenden Bedingungen entsprechen, stellt eine Abschalteinrichtung dar - sprich, Fahrzeuge, die mit Hilfe einer Software erkennen, wenn sie sich auf dem Prüfstand befinden und dann die Emissionen verringern, sind illegal.
  2. Grundsätzlich sind Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässig.
  3. Eine Ausnahme ist nur möglich, um den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden zu schützen - den vorzeitigen Verschleiß und die Verschmutzung des Motors zu verhindern, stellt jedoch ganz klar keine solche Ausnahme dar.