Seit mehreren Jahren unternehmen Bausparkassen den Versuch, ihre Bausparer vorzeitig aus alten, noch gut verzinsten Bausparverträgen zu drängen. Die massiven Kündigungswellen finden ihren wirtschaftlichen Grund in der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die Bausparkassen müssen die Bausparguthaben ihrer Kunden mit Zinsen weit über Marktniveau verzinsen. Bislang konnten Bausparer, die von der Kündigungswelle betroffen waren und gegen diese juristisch vorgingen, nur wenig Unterstützung von Gerichten erwarten. Vielfach wurden die Kündigungen als wirksam angesehen. Die Rechtslage ist bislang höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Rückenwind bekommen betroffene Bausparer jedoch aktuell durch zwei fundiert begründete Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart aus März und Juni dieses Jahres.
Von besonderer Relevanz ist die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 04.05.2016 (Az. 9 U 230/15) einzustufen. Das Obergericht entschied erstmals, dass die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die aus dem Darlehensrecht stammt und auf die sich die Bausparkassen regelmäßig berufen haben, auf Bausparverträge in der Ansparphase keine Anwendung findet. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht unter anderem aus: „Der Sparer als Gläubiger hat keine Übermacht, sondern die Bausparkassen als Anbieter geben die Bedingungen vor. Wenn sie es lediglich versäumt haben, sich ein Kündigungsrecht für den Fall der Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens einzuräumen und damit eine Vollbesparung nicht ausschließen, begründet dies kein Schutzbedürfnis.“ Somit gab das Gericht einer Bausparerin Recht, die sich gegen die Kündigung ihrer nicht vollständig angesparten Bausparverträge zur Wehr gesetzt hatte.
Zuvor, am 30.03.2016, stärkte das OLG Stuttgart bereits in einem Urteil (Az. 9 U 171/15) die Position der Bausparer. In dieser bundesweit bekannt gewordenen Entscheidung stellte die klagende Bausparerin im Jahr 1993 nach Zuteilungsreife die weiteren Zahlungen von Sparraten ein. Im Jahr 2015 kündigte die Bausparkasse die Verträge mit der Begründung, dass die Bausparerin weiterhin von den ehemals vereinbarten Sparzinsen von 3 % p.a. profitieren würde, anstatt das Bauspardarlehen abzurufen. Das OLG Stuttgart entschied jedoch zu Gunsten der Bausparerin und sah die Kündigung der Bausparkasse als unwirksam an. Die Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB lägen nicht vor. Von einem vollständigen Empfang des Bausparguthabens im Sinne von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB könne keine Rede sein, solange der Bausparer verpflichtet bleibe, seine Regelsparbeiträge bis zur Auszahlung der Bausparsumme zu leisten. Dies gelte vor allem auch dann, wenn die Bausparkasse das Ruhen des Bausparvertrages dulde und von ihrem vertraglichen Kündigungsrecht wegen unterbliebener Regelbesparung keinen Gebrauch mache.
Die Urteile des OLG Stuttgart machen betroffenen Bausparern Hoffnung und sollten zum Anlass genommen werden, die Kündigung nicht einfach zu akzeptieren, sondern sich anwaltlich beraten zu lassen. HAHN Rechtsanwälte, die bereits zahlreiche Bausparer außergerichtlich und gerichtlich vertreten, bieten betroffenen Bausparern eine kostenfreie Ersteinschätzung an. Ihr Ansprechpartner bei HAHN Rechtsanwälte ist Rechtsanwalt Dr. Oliver Rosowski.