Jetzt ist es raus – Herbert Diess, seit April 2018 Vorstandvorsitzender von VW, hat zugegeben, dass der Konzern seine Kunden betrogen hat. Lange hat sich VW im Abgasskandal gewehrt, doch durch das Akzeptieren von Rückrufen gigantischen Ausmaßes, die vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordnet worden waren, hatte man quasi stillschweigend den Betrug zugegeben. Allerdings galt das nicht für den Gerichtssaal – die Anwälte von VW geben den Betrug dort weiterhin nicht zu. Auch VWs Rechtsvorständin Hiltrud Werner hatte erklärt, VW-Kunden seien durch die Abschalteinrichtungen „weder Verluste noch Schäden“ entstanden.
Dass nun der aktuelle Vorstandvorsitzende selbst von Betrug spricht, dürfte den VW Anwälten ihre Arbeit nicht grade erleichtern. So relativierten Sie die Aussage von Diess auch sofort – sie sei nicht „im rechtstechnischen Sinne“ zu verstehen und ändere nichts an der rechtlichen Position von Volkswagen.
„Das, was wir gemacht haben war Betrug, ja“, sagte Diess in der Talksendung von Markus Lanz im ZDF. Und alle können es im Video nachsehen – nicht nur Verbraucher, auch Richter sind hellhörig geworden. So auch Günter König vom Landgericht Oldenburg, der sich schon seit längerem mit den Abgasskandal Fällen beschäftigt.
Es geht darum, dass Verbraucher VW auf Schadensersatz verklagen. Viele Gerichte stimmen dem zu und werfen VW vor, die Verbraucher gemäß § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt zu haben und diesen Schaden (in Form von Schadenersatz) wieder gut machen zu müssen. In der Regel geschieht dies dadurch, dass der Käufer den Kaufpreis erstattet bekommt und das manipulierte Fahrzeug an VW zurückgibt.
VW und auch andere Hersteller verteidigten sich bislang mit der Erklärung, die Abschalteinrichtung sei notwendig, um den Motor vor einer Versottung zu schützen. Durch das Aufspielen des Software-Updates wird die Abschalteinrichtung nun entfernt – was logischerweise zu einer Versottung des Motors führen müsste. Doch die Hersteller, auch VW, versprechen gleichzeitig, dass durch das Software-Update keine negativen Folgen zu befürchten seien. Die Fahrzeuge, die jetzt nach dem Update quasi dauerhaft im Prüfstandsmodus fahren, waren ja gar nicht dafür ausgelegt. Mit technischen Problemen muss also gerechnet werden.
König geht in einem Beschluss vom 08. Juli 2019 auf die Betrugsaussage von Diess ein. In einem vorherigen Beschluss hatte er VW bereits aufgefordert, darzulegen, dass keine Erklärung eines Mitarbeiters vorliege, nach derer der Vorstand von der Betrugssoftware Kenntnis gehabt habe. VW hatte bestätigt, dass keine Erkenntnisse dafür vorlägen, dass Vorstandsmitglieder von der Entwicklung und Verwendung der Software Kenntnis gehabt hätten. Nun ändert die Betrugsaussage von Diess aber einiges. VW möge doch bitte bekannt geben, wer denn aus Sicht von Diess den erwähnten Betrug begangen habe, so König. Hierauf folgt die bereits oben genannte Erläuterung, dass seine Aussage nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen sei und da sie außerhalb des Prozesses getätigt wurde, auch nicht als Geständnis gesehen werden könne.
König bohrt jedoch weiter. Diess‘ Äußerung zeige seiner Meinung nach, dass er über Informationen verfüge, aus denen er die Schlussfolgerung ziehe, dass das KBA von VW Mitarbeitern gezielt getäuscht worden sei. Das stehe im Gegensatz zu den Aussagen im Prozess, nach denen die Abschalteinrichtung gutgläubig legal gewesen sei. Zudem gäbe es einen weiteren Widerspruch. Während es im Prozess heiße, nur die Programmierer auf der Arbeitsebene hätten betrogen, zeige Diess‘ Äußerung „wir“, dass er den Betrug dem Unternehmen zurechne.
König macht seinen Unmut über VW deutlich: „Die Beklagte wird auf diesem Hintergrund nicht ernsthaft erwarten können, öffentlich von einem Betrug „der Firma“ reden zu können, ohne den Namen des konkreten „Betrügers“ im Prozess nennen zu müssen […]“.
Wie Richter König am Ende des Verfahrens entscheiden wird, ist noch unklar. Ebenso, ob noch weitere Richter die Sendung von Markus Lanz in ihren Verfahren kommentieren werden. Eines ist jedoch klar: mit seinem Auftritt hat Herbert Diess den VW Anwälten einen Bärendienst erwiesen und Verbraucheranwälten und VW Kunden die Hoffnung auf Schadensersatz langfristig genährt.
Hahn Rechtsanwälte gehört zu den Verbraucheranwälten, die VW Kunden im Kampf um Schadensersatz unterstützen. Die Kanzlei vertritt bundesweit mehrere tausend Kläger im Abgasskandal und konnte bereits etliche verbraucherfreundliche Urteile, auch rechtskräftig, erzielen. Erst im Juni konnten am Landgericht Essen und am Landgericht Halle zwei sensationelle Urteile erzielt werden, bei denen den Verbrauchern Schadensersatz ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung zugesprochen wurde.