Malta Bill No. 55: EuGH entscheidet zu Online-Glücksspiel
Malta hatte im Juni 2023 ein Gesetz verabschiedet, nachdem maltesische Gerichte in anderen EU-Staaten wie zum Beispiel Deutschland gefallene Urteile zum Online-Glücksspiel nicht vollstrecken dürfen – ein klarer Widerspruch zum EU-Recht, weshalb sich jetzt der EuGH zur Bill No. 55 äußern muss.
Erstellt am - letztes Update:Das Wichtigste in Kürze
Der Europäische Gerichtshof befasst sich im Verfahren C-683/24 mit der Frage, ob die Bill No. 55 aus Malta mit europäischem Recht vereinbar ist.
- Malta will mit der Bill No. 55 verhindern, dass Urteile aus dem Ausland in Malta vollstreckt werden
- Das Land will so seine Glücksspielindustrie schützen
- Er ist damit zu rechnen, dass der EuGH zu dem Schluss kommen wird, dass die Bill No. 55 zurückgenommen werden muss, da sie gerade nicht mit europäischem Recht vereinbar ist.
Was bezweckt Malta mit der Bill No. 55?
Im Juni 2023 verabschiedete das Repräsentantenhaus von Malta die Bill No. 55 als Ergänzung zum Gaming Act. Darin heißt es unter anderem, dass Urteile von Gerichten aus anderen EU-Mitgliedstaaten gegen in Malta ansässige Glücksspielanbieter von maltesischen Gerichten weder anerkannt noch vollstreckt werden dürfen.
Mit anderen Worten sollen Urteile, die zum Beispiel vor einem deutschem Gericht gefallen sind und in denen maltesische Glücksspielanbieter dazu verurteilt wurden, Spielern Verluste zu erstatten, in Malta ignoriert werden.
Malta bezweckt damit den Schutz der eigenen Wirtschaft. Ein nicht unerheblicher Prozentsatz der maltesischen Wirtschaft hängt von der Glücksspielindustrie ab. Würden alle Entscheidungen deutscher Gerichte und solcher aus anderen Mitgliedsstaaten vollstreckt werden, dürfte dies die maltesische Wirtschaft empfindlich treffen.
So heißt es dann in Bill No. 55 auch wörtlich:
„The object and reason of this Bill is to codify in law the longstanding public policy of Malta encouraging the establishment of gaming operators in Malta who offer the local and cross-border supply of their services in a manner compliant with local legislation, in an effort to encourage private enterprise in line with article 18 of the Constitution of Malta.”
Den kompletten Text zur Bill No. 55 (auf Maltesisch und Englisch) können Sie hier einsehen:
https://parlament.mt/media/121901/bill-55-gaming-amendment-bill.pdf
Stellungnahme der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) zur Bill 55
Die GGL sah sich aufgrund zahlreicher Anfragen im August 2023 zu einer Stellungnahme zur Bill 55 genötigt.
Darin macht sie deutlich, dass sie selbst zwar nicht tätig werden wird, in dem Gesetz aber einen Widerspruch zum EU-Recht sieht.
„[…] Wir vertreten die Auffassung, dass dieses Gesetz mit europäischen Vorgaben zur Anerkennung von Entscheidungen (Verordnung (EU) 1215/2012) nicht vereinbar sein dürfte. […]“
Das Bundesministerium der Justiz sei in dieser Sache bereits an die Europäische Kommission herangetreten, weshalb man von der Einleitung eines Verfahrens ausgehe.
Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgerichts Wien: EuGH muss zu Bill No. 55 entscheiden
Am 13. Januar 2025 wurde vom Europäischen Gerichtshof ein Verfahren zur Bill No. 55 eingeleitet, allerdings nicht auf Antrag der deutschen Justiz, sondern des Handelsgerichts Wien. Dieses hatte sich im August 2024 mit einer Vielzahl von Fragen an den EuGH gewandt. Das Verfahren am EuGH läuft unter dem Aktenzeichen C-683/24.
Das Wiener Gericht möchte dabei vom EuGH klären lassen, ob die Bill No. 55 europäischem Recht entgegen steht.
So heißt es in Frage 2:
„Sind Art. 45 Abs. 1 und Art. 46 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen einer nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, die unabhängig von einer entsprechenden Antragstellung beim anerkennenden Gericht / Exekutionsgericht und einer Ausnutzung aller Rechtsbehelfe im Mitgliedstaat des Erstgerichts durch den Verpflichteten und ohne Prüfung durch das anerkennende Gericht / Vollstreckungsgericht eine Anerkennung (Art. 45 der o.g. Verordnung) und Vollstreckung (Art. 46 dieser Verordnung) von Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedstaaten ausschließt für sämtliche Verfahren gegen Lizenzinhaber und gegenwärtige und frühere Führungskräfte und Schlüsselpersonen eines Lizenzinhabers wegen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Erbringung einer Spieldienstleistung, wenn eine solche Klage die Rechtmäßigkeit der Erbringung von Spieldienstleistungen in oder von Malta aus aufgrund einer von der Behörde erteilten Lizenz oder die Rechtmäßigkeit einer rechtlichen oder natürlichen Verpflichtung, die sich aus der Erbringung solcher Spieldienstleistungen ergibt, beeinträchtigt oder untergräbt und sich auf eine zugelassene Tätigkeit bezieht, die im Sinne dieses nationalen Gesetzes und anderer anwendbarer nationaler Regulierungsinstrumente rechtmäßig ist?“
Das komplette Vorabentscheidungsersuchen können Sie hier nachlesen:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=OJ:C_202500151
Bill 55: Europäische Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta ein
Am 18. Juni 2025 leitete die Europäische Kommission aufgrund der Bill 55 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta ein (INFR(2025)2100). Im ersten Schritt wurde Malta ein Aufforderungsschreiben (Auskunftsersuchen) zugestellt. Laut der Kommission verstößt die Bill 55 gegen die EU-Verordnung 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Malta hat nun zwei Monate Zeit, sich zu erklären. Geschieht dies nicht zur Zufriedenstellung der Kommission, kann diese Malta in einem nächsten Schritt (mittels einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“) förmlich auffordern, das EU-Recht einzuhalten und ihr die entsprechenden Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist – in der Regel zwei Monate – mitzuteilen. Wird auch hier keine Einigung erzielt, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens erhöht den Druck auf Malta und lässt hoffen, dass schon in wenigen Monaten Bewegung in die Sache kommt.
Hier finden Sie die Mitteilung der Europäischen Kommission zur Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Malta hinsichtlich der Bill No. 55:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/inf_25_1241
Was bedeutet die Bill 55 für Spieler die verlorenes Geld zurückholen wollen?
Es ist davon auszugehen, dass der Europäische Gerichtshof im Sinne der Spieler entscheiden wird, nämlich dass die Bill No. 55 gegen EU-Recht verstößt und deshalb zurückgenommen werden muss. Wann der EuGH diese Entscheidung fällen wird ist noch unklar, wir rechnen mit einer Entscheidung in den kommenden 12-16 Monaten (also eventuell noch in 2025, spätestens aber in 2026).
Allerdings dürfen Spieler, die ihre Verluste zurückfordern wollen, die Verjährung nicht außer Acht lassen. Rückwirkend lassen sich Verluste grundsätzlich auf den Tag genau zehn Jahre zurückfordern. Mit jedem Tag, den man wartet, geht also Geld unwiederbringlich verloren. Zudem müssen Spieler innerhalb von drei Jahren zum Ende des Jahres, in dem sie Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels erlangt haben, Klage einreichen.