Oberlandesgerichte sprechen Schadensersatz auf Basis des Software-Updates zu
Die Oberlandesgerichte Köln und Hamm haben mit Urteilen von Ende 2020, bzw. Anfang 2021 für Aufsehen gesorgt. Denn sie verurteilten die Volkswagen AG zu Schadensersatz aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) und zwar bei zwei Autos, die die Käufer erst in 2016 erworben hatten - also nach der öffentlichen Bekanntmachung des Abgasskandals.
OLG Köln, Urteil vom 18.12.2020, 20 U 288/19:
Im Dezember 2016 hatte der hier erfolgreiche Kläger von seinem Bruder einen VW Tiguan mit dem Motor des Typs EA189 erworben. Das Fahrzeug hatte bereits das Software-Update erhalten, weshalb der Käufer davon ausging, ein gesetzeskonformes Fahrzeug zu erwerben. Wie sich dann herausstellte, war dies jedoch nicht der Fall. Denn, so behauptete der Kläger, mit dem Software-Update war eine neue unzulässige Abschalteinrichtung aufgespielt worden. Er nimmt dabei Bezug auf den neuerlichen Rückruf des VW Eos (siehe unten). Da Volkswagen zu diesen Vorwürfen keine Stellung genommen hatte, galten sie laut Gericht als zugestanden. Es verurteilte den Hersteller deshalb aufgrund einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB zu Schadensersatz. Der Wagen kann an VW zurückgegeben werden. Der Hersteller muss den Kaufpreis, abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten.
OLG Hamm, Urteil vom 19.01.2021, I-19 U 1304/19:
Anfang 2016 hatte der Kläger einen Wagen aus dem Volkswagen-Konzern mit dem Motor EA189 erworben. Da im Urteil die Volkswagen AG lediglich als Herstellerin des Motors beschrieben wird, muss es sich dabei um einen Audi, Seat oder Skoda handeln, wobei das genaue Modell nicht bekannt ist. Das Gericht sieht es als unstreitig an, dass mit dem Software-Update erneut unzulässige Abschalteinrichtungen installiert worden sind. Genauer erwähnt es das Thermofenster, eine Lenkwinkelerkennung und eine Zeiterfassung. Zu den entsprechenden Vorwürfen des Klägers hatte VW keine Stellung genommen, weshalb sie als zugestanden gelten. Auch hier sah das Gericht deshalb einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Der Käufer kann das Auto deshalb zurückgeben und bekommt den Kaufpreis erstattet. Lediglich eine Nutzungsentschädigung für bereits gefahrene Kilometer muss er sich dabei anrechnen lassen.
OLG Bremen, Urteil vom 15.01.2021, 2 U 9/20:
Ein weiteres wichtiges Urteil in diesem Zusammenhang fällte Anfang 2021 das Oberlandesgericht Bremen. Der erfolgreiche Kläger hatte das Fahrzeug zwar bereits in 2014 erworben und deshalb ohne Frage einen Anspruch auf Schadenersatz. Das Gericht stellte jedoch zudem fest, "dass die konkrete Möglichkeit des Eintritts weiterer Schäden besteht". Es lägen ausreichende Anknüpfungstatsachen dafür vor, dass eine neuerliche Umprogrammierung der Software möglich werden könnte. Auch dieses Gericht verweist auf den zweiten Rückruf für den VW Eos.
KBA ruft VW Eos zurück - Update enthält unzulässige Abschalteinrichtung!
Am 14.09.2020 wurde ein aussagekräftiger Pflichtrückruf durch das KBA bekannt. Dieser betraf den VW Eos mit Motor EA189 und zwar Fahrzeuge, die im ursprünglichen Abgasskandal bereits das notwendige Software-Update erhalten hatten. Auf Nachfrage von HAHN Rechtsanwälte erläuterte das Kraftfahrt-Bundesamt den Grund für den erneuten Rückruf. Das Thermofenster wurde dabei explizit ausgeschlossen. Stattdessen hatte das KBA eine Fahrkurvenerkennung entdeckt. Hierdurch erkennen die Fahrzeuge, wenn sie sich auf dem Prüfstand befinden. Die Abgasrückführungsrate wird dann optimiert. Und weiter:
"Schon kleine Abweichungen führen zur Abschaltung der Strategie. Dadurch wird die Wirksamkeit der AGR verringert und die Stickoxidwerte erhöhen sich.
Diese Strategie wurde durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet (...)."
Dass der VW-Konzern diese Fahrkurvenerkennung nur beim Eos aufgespielt haben soll und andere Diesel-Fahrzeuge mit dem gleichen Update diese Funktion nicht bekommen haben sollen, ist schwer denkbar. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass alle betroffenen Fahrzeuge aus dem ursprünglichen EA189-Rückruf mit dem Update auch diese vom KBA beschriebene Fahrkurvenerkennung implementiert bekommen haben. Dies ermöglicht Schadensersatzklagen für Millionen Diesel-Pkw.
Dass Kunden, die ein betroffenes Fahrzeug mit EA189 Motor erworben hatten, grundsätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz haben, hatte der BGH mit seinem ersten vielbeachteten Dieselskandal-Urteil bereits im Mai 2020 klar gemacht. Volkswagen hatte die Abgasreinigung von Millionen betroffener Autos manipuliert. Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit der Bevölkerung und den Wert der Fahrzeuge hatte man dabei in Kauf genommen. Doch immer mehr Gerichte, und schließlich auch der Bundesgerichtshof, ließen Volkswagen nicht damit davonkommen. Durch ihre Urteile sorgen sie dafür, dass betroffene Kunden ihren Wagen zurückgeben können und den Kaufpreis erstattet bekommen. Der Wertverlust, den die Fahrzeuge im Abgasskandal erlitten haben, fällt somit auf den Hersteller zurück.
Durch die neuerliche Manipulation der Abgasreinigung geht das Spiel nun von vorne los!
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VG Schleswig: VW Software-Update ist rechtswidrig
Am 20.02.2023 urteilte das Verwaltungsgericht Schleswig, dass das vom KBA freigegebene Software-Update für den VW Motor EA189 rechtswidrig ist. Und zwar deshalb, weil damit eine erneute unzulässige Abschalteinrichtung installiert wurde - das Thermofenster. Das Gericht orientierte sich damit an der Entscheidung des EuGH, wonach es sich beim Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.
Im vorliegenden Fall geht es um bestimmte Modelle des 2008 und 2009 zugelassenen VW Golf und dem dort aufgespielten Software-.Update. Die Deutsche Umwelthilfe, die hinter dieser Klage steckt und nun gewonnen hat, hat jedoch noch dutzende weitere Klagen am Verwaltungsgericht Schleswig anhängen, bei denen es um weitere Modelle, auch von anderen Herstellern geht.
Im Januar 2024 folgte das nächste Urteil des VG Schleswig. Dieses Mal ging es um über 60 Diesel-Modelle von VW, Audi und Seat. Auch bei diesen hätte das Software-Update nie genehmigt werden dürfen, weil es mit dem Thermofenster erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielt.
Der EuGH hatte erst im November 2022 geurteilt, dass die DUH überhaupt klageberechtigt ist - nun folgten innerhalb kürzester Zeit diese großen Erfolge gegen das KBA und seine fragwürdige Freigabepolitik bei Software-Updates.
Das KBA muss handeln, sobald die Urteile rechtskräftig werden und die Fahrzeuge auf Kosten von VW nachrüsten lassen - oder stilllegen.
KBA ruft 300.000 VW Diesel zurück
Im August und September 2024 veröffentlichte das KBA erneut Rückrufe im VW Dieselskandal. Das KBA reagiert dabei auf die Entwicklung unter anderem vor dem EuGH und erklärt das Thermofenster für unzulässig. Über 300.000 Fahrzeuge sind alleine in Deutschland betroffen, weltweit sind es gar über eine Million. Für den Großteil heißt es, die AGR-Reduktion über Umgebungstemperatur würde nicht der VO (EG) Nr. 715/2007 und den EuGH-Urteilen von Juli 2022 entsprechen - Thermofenster zwischen 15 und 33 Grad. Betroffen sind hier der Transporter (T5), der Crafter, der Polo, der Amarok und der Touareg. Zudem gibt es einen Rückruf für den VW Caddy, wobei hier ganz konkret auf die bereits erfolgten Rückrufe eingegangen wird: "Fahrzeuge enthalten unzulässige Abschalteinrichtung im Emissionskontrollsystem. Korrektur von Datenständen aus EA189-Rückruf." Die Fahrzeuge haben also bereits ein Software-Update erhalten, das jedoch erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielt, weshalb nun eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes notwendig wird. Das hierbei ebenfalls vom Thermofenster die Rede ist, ist naheliegend.
BGH hält Entschädigung bei Thermofenster für möglich
Mit Urteil vom 26.06.2023 hat der BGH seine Rechtsprechung deutlich verbraucherfreundlicher ausgerichtet. Nun entfällt der bisherige Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Dies war nötig, um nach § 826 BGB Schadensersatz zu erhalten.
Stattdessen reicht es nun aus, wenn die Kläger nachweisen können, dass der Hersteller fahrlässig eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut hat (dazu zählt der BGH auch die Fahrkurvenerkennung und das Thermofenster). Bereits dann kann ein Anspruch auf Entschädigung bestehen. Die erfolgreichen Kläger können das Fahrzeug dabei behalten und bekommen zwischen 5% und 15% des Kaufpreises zugesprochen.
Da hier explizit die unzulässigen Abschalteinrichtungen genannt werden, die mit dem EA189 Software-Update aufgespielt worden sind, können auch Käufer von diesen Fahrzeugen eine solche Entschädigung bekommen.